Beobachtungen, Begegnungen und Gedanken im Eis
Ich bin schon immer fasziniert gewesen von der kargen Schönheit der Arktis, lasse mich gerne von Reportagen und Bildbänden in diese ferne, eisige und unwirkliche Welt entführen. Entsprechend neugierig war ich auf das Buch von Arezu Weitholz, das bereits im September 2020 erschienenen und nun auch als Taschenbuchausgabe erhältlich ist.
„Ich hatte kein Heimweh nach diesem schwimmenden Behälter, auf dem die vielen Gesichter, Gespräche und Gedanken wie luftdicht gewebtes Leben nebeneinanderlagen.“
In „Beinahe Alaska“ erzählt Arezu Weitholz von einer besonderen Kreuzfahrt nach Alaska. Hier soll sie als Fotografin für einen Verlag tätig werden. Doch die Fahrt mit der MS Svalbard verläuft anders als geplant. Die ursprüngliche Route muss geändert werden, bei den Passagieren an Bord herrscht darüber Unzufriedenheit. Aber auf dem Meer und bei den verschiedeneren Landgängen soll es trotzdem reichlich Stoff für Fotos und Erzählungen geben.
In kurzen Episoden schafft Weitholz überaus eindringliche und stimmungsvolle Bilder. Sie lässt Landschaft und Natur lebendig werden. Dabei ist „Beinahe Alaska“ keineswegs ein typischer Reisebericht. Weitholz beobachtet - auch vor dem Hintergrund persönlicher Lebensumstände - Einheimische und Mitreisende. Sie ordnet Eigenheiten, Verhalten und Gespräche ein, gestattet so einen Einblick in ihre Gedankenwelt und ihr eigenes Leben. Das ist nicht von höchster Zufriedenheit geprägt. So färbt sie Schilderungen der Ereignisse, reflektiert, sucht eigentlich lieber Distanz als Nähe und wirkt dann auch eher ein wenig fehl am Platz unter all den Menschen.
Weitholz erzählt mit poetisch anmutender Sprache, schafft mit nuancierten Kleinigkeiten besondere Augenblicke. Doch der episodenhafte Aufbau folgt stets einem ähnlichen Rhythmus aus Beschreibungen, Beobachtungen und Dialogen, gerät dabei gelegentlich eintönig. Aber es gibt auch Reiseabschnitte, die besonders nachklingen. Wie die in Hopedale, einem der wohl unwirklichsten Orte auf der Reise. Hier lebt Louise, eine Mutter der das Sorgerecht für ihre Kinder entzogen wurde. Der Vater sitzt im Knast, ein Pädophiler ist Nachbar, die Zustände in dem kleinen Ort lassen beim Lesen innehalten. Es entsteht eine seltsame, fast beklemmende Atmosphäre.
Fazit
Arezu Weitholz nimmt uns mit auf eine besondere Reise. Mal melancholisch und bedrückend, mal zynisch und mit kritischem Unterton, mal feinfühlig und zart, mal humorvoll und mal tiefgründig schildert sie in faszinierenden Episoden von Beobachtungen, Begegnungen und Gedanken im Eis.
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