Die neue Wildnis

Die neue Wildnis
Die neue Wildnis
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Carola Krauße-Reim
751001

Belletristik-Couch Rezension vonJun 2022

Der Klimawandel hat die Belletristik erreicht

Die Zukunft der Menschheit sieht düster aus, der Klimawandel hat das Leben drastisch verändert. Weil Luftverschmutzung und Naturkatastrophen immer mehr zunehmen, muss der Natur die Möglichkeit zur Regeneration gegeben werden. Die Menschen leben eingesperrt in streng abgegrenzten Städten, die nicht verlassen werden dürfen. Doch die Lebensqualität wird immer schlechter. Das muss auch Bea realisieren, deren Tochter lungenkrank wird. Um Agnes zu retten nimmt Bea mit 20 anderen an einem gewagten Experiment teil – sie gehen in die Wildnis um dort im Einklang mit der Natur zu leben. Doch das fordert unablässig Opfer.

Jäger und Sammler 2.0

Auch die Wildnis unterliegt der Kontrolle der Menschen. Zwar wird die Natur sich selbst überlassen, doch die Probanden des Experiments müssen sich an strenge Auflagen halten, die von Rangern überwacht werden. Das neue Leben ist das der Jäger und Sammler der Steinzeit. Immer auf der Wanderung müssen Werkzeuge selbst hergestellt werden, die Nächte verbringt man am mühsam entzündeten Feuer, das Essen muss gesucht, gepflückt und getötet werden.

Geburt und Tod gehören unmittelbar zum Leben, das den Menschen alles abverlangt. Das Überleben hat lediglich eine andere Dimension erreicht, ist in der Wildnis genauso alltagsbestimmend, wie in der Stadt. Zwangsläufig entwickelt sich eine Gruppendynamik unter den 20 Teilnehmern, die zu Spannungen führt und genauso zwangsläufig schaffen es nicht alle in der Wildnis zu überleben.

Als die Geschichte einsetzt sind schon Jahre vergangen seit Bea und Agnes die Stadt verlassen haben. Erinnerungen an das alte Leben hat nur noch Bea, Agnes ist völlig verwildert. Die Mutter-Tochter-Beziehung ist, genauso wie die ganze Gruppe, geprägt vom Kampf ums Überleben.

Zwei kaum greifbare Protagonistinnen

Bea steht im Mittelpunkt des ersten Teils der Geschichte, bevor Agnes übernimmt. Beide Figuren sind nur zu einem geringen Teil wirklich greifbar, die Tiefe ihrer Charaktere bleibt verborgen, was sie für die Leserschaft manchmal sehr widersprüchlich erscheinen lässt. Doch das passt zum Überleben in der Wildnis – wer zu viel preisgibt, ist den anderen ausgeliefert und verloren.

Obwohl sie aufeinander angewiesen sind, ist doch jeder Teilnehmer für sich in der Gruppe. Sogar Mutter und Tochter lassen absolute Ehrlichkeit und Nähe nicht zu. Diese emotionale Kargheit vermittelt Cook auch ganz geschickt, indem sie in einem sehr minimalistischen Stil erzählt. Die nüchterne Sprache, ohne Schnörkel und überflüssige Erklärungen, spiegelt den Überlebenskampf in der Diktion wider. Das verlangt Geduld von der Leserschaft, denn erst langsam gewöhnt man sich an diesen Stil, der entweder nach einigen Kapiteln seine Sogkraft entwickelt oder aber die über 500 Seiten sehr lang werden lässt.

Doch die Geschichte ist spannend, hält Wendungen bereit, die das Leben von Agnes noch einmal drastisch beeinflussen – und spätestens dann ist man gepackt und kann das Buch kaum noch aus der Hand legen.

Die Natur ist übermächtig

Wenn auch die Charaktere stilistisch bedingt rätselhaft bleiben, wird die Natur in ihrer ganzen Wildheit geschildert. Mit nur wenigen gut gesetzten Bemerkungen wird hier das Fressen und Gefressenwerden genauso gezeigt, wie die Schönheit eines Tales oder die tödliche Strömung eines Flusses. Die Leserschaft bewegt sich immer an der Seite von Bea, Agnes und der Gruppe.

Cook schafft eine eindrückliche und manchmal auch beklemmende Atmosphäre, die so sehr fesselt, dass der Schluss fast schon etwas vom Tod eines Protagonisten hat – mehr sei nicht verraten.

Fazit

Eine Dystopie, die mahnt, fesselt und abschreckt! Diane Cook hat in ihrem Debüt den Klimawandel in die Belletristik geholt. Wenn man sich auf die über 500 Seiten einlässt, bekommt man einen Eindruck vom ultimativen Desaster, das uns blühen könnte, wenn der Klimawandel nicht gestoppt wird und der Mensch nur noch in der längst vergangenen Manier der Jäger und Sammler überleben kann.

Die neue Wildnis

Diane Cook, Heyne

Die neue Wildnis

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