Platz der Freiheit

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Carola Krauße-Reim
801001

Belletristik-Couch Rezension vonJun 2023

Politik, Liebe und Verrat

1974 kommt der amerikanische Student Garry nach Moskau. Schnell findet er Freunde: Aslan, Anna und Zaza. Jahre später kommt die junge Georgierin Tamar nach Toronto. Von ihrer Mentorin Rachel Grabinsky gefördert, versucht sie auch im Westen als Künstlerin Fuß zu fassen. 2003 stirbt Rachel und Tamar muss sich, ebenso wie Rachels Sohn Joseph, fragen wer die Aktivistin für Demokratie eigentlich wirklich war. Die beiden begeben sich auf eine gefährliche Suche in Georgien, ein Land, das zerrissen ist zwischen Diktatur und erhoffter Demokratie. Tamar und Joseph stoßen auf Geheimnisse, Verrat, Liebe und Rache, die alle zusammen beider Leben beeinflussten und es noch immer tun.

Ein jüdisch-kanadischer Autor

Jonathan Garfinkel wuchs in einem zionistischen Elternhaus in Toronto auf. Später distanzierte er sich vom Zionismus, doch seine Werke haben oft direkten Bezug dazu oder erwähnen das Judentum zumindest. Als Dramaturg fand er international Beachtung, seine Stücke wurden auch auf deutschen Bühnen aufgeführt. 2021 erschien die autobiografische Aufarbeitung einer Reise durch Israel und jetzt mit „Platz der Freiheit“ sein erster Roman.

Eine politische Familiengeschichte

Im Mittelpunkt des Romans stehen nicht nur Tamar. Joseph und Rachel, sondern auch Georgien. Die ehemalige Sowjetrepublik erlangte zwar die Unabhängigkeit zurück, doch Korruption und eine wirtschaftlich prekäre Lage ließen das Land nicht zur Ruhe kommen. Die Familiengeschichte von Joseph und Tamar ist eingebettet in die Geschichte dieses Landes. Immer wieder beschreibt Garfinkel das Leben auf den Straßen von Tiflis, verdeutlicht die Gefahren, welcher die Opposition ausgesetzt war oder ganz einfach das schwierige Leben der Menschen, die mit wenig zurechtkommen mussten. Gewalt, Bestechungen und ständige Bespitzelungen waren auch nach dem Sowjetregime an der Tagesordnung.

„Katzen, die wie Hunde heulen“

Garfinkel beginnt seine Geschichte mit der Ankunft Garrys in Moskau und legt damit den Grundstein für alle weiteren Vorkommnisse in den Jahren von 1989 bis 2003, die anschließend erzählt werden. Der Anfang ist etwas zäh, weiß man doch nicht, dass alles wichtig ist, was erzählt wird. Erst langsam findet man den roten Faden und nach und nach wird die Geschichte dann richtig spannend. Atmosphärisch dicht und manchmal mit einer gehörigen Portion schwarzen Humors erzählt Garfinkel von den Verstrickungen Garrys und seiner Freunde in die Geschichte Georgiens, die gleichzeitig die Familiengeschichte von Joseph und Tamar ist. Garfinkel hat sich dabei an historischen Personen und tatsächlichen Vorkommnissen orientiert. Er malt ein Porträt Georgiens, dass man nicht so schnell vergisst, wie auch die darin eingebettete Familiengeschichte, die geprägt ist von Verrat und Rache.

Die Figurenzeichnung ist geglückt

Neben der gekonnten Beschreibung des Lebens in Moskau und der Situation Georgiens, ist dem Autor auch die Figurenzeichnung gelungen. Der etwas naive und Wrangler tragende Amerikaner Garry ist ihm genauso geglückt, wie die junge Tamar, die auf der Suche nach ihrem Vater einen tragischen Verlust hinnehmen muss. Lediglich der Plattenladenbesitzer Daniel Daniel scheint etwas überambitioniert geraten zu sein und nervt mit seinem  extrem coolen Auftreten und seiner ganz eigenen Ausdrucksweise doch ziemlich. Alle Charaktere stehen aber nicht nur für die Figur, die sie darstellen, sondern zeichnen in ihrer Gesamtheit das Bild des Staates, der versucht demokratisch zu werden und gleichzeitig mit der Vergangenheit umgehen muss. Man begegnet den Oppositionellen, den Demonstranten für Demokratie auf dem Platz der Freiheit in Tiflis und erfährt die Probleme nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion. Manche Szenen sind brutal, andere wiederum lassen das Kopfkino auf Hochtouren laufen und die Schilderungen der atemberaubenden Natur Georgiens tut den Rest um an das Buch zu fesseln.

Fazit

Ein feinsinniger, spannender und politischer Familienroman. Eingebettet in die Geschichte Georgiens ist Tamars und Josephs Suche nach der Wahrheit ebenso dramatisch, wie manchmal humorvoll. Sie entführt in einen Staat, der vielen noch relativ unbekannt sein dürfte, aber eine jüngere Vergangenheit hat, die es lohnt näher zu betrachten. Garfinkel ist die Mischung zwischen Familiengeschichte und Politik berührend und packend gelungen, auch wenn es ein wenig Zeit braucht, bis man vom Geschehen gefesselt ist.

Platz der Freiheit

Jonathan Garfinkel, Rowohlt

Platz der Freiheit

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