Liebe und Krieg
Sidney Ellwood und Henry Gaunt leben 1914 im Eliteinternat Preshute. Noch scheint der 1. Weltkrieg weit weg von ihnen statt zu finden. Doch die Nachrichten von gefallenen Schulkameraden werden immer häufiger. Dann meldet sich Gaunt freiwillig um den drohenden Spionageverdacht von seiner Familie abzuwenden und auch um der Liebe zu Ellwood zu entkommen, von der er nicht weiß, ob sie erwidert wird. Was ihn erwartet ist so furchtbar, dass er mit aller Macht verhindern will, dass Ellwood ihm folgt. Doch der ist getrieben von heroischen Vorstellungen und lässt sich nicht davon abhalten auch in den Krieg zu ziehen. Die Erlebnisse in den Schützengräben verändern beide, doch finden sie auch endlich zueinander.
Der letzte Versuch
Schon lange spielte Alice Winn mit dem Gedanken einen großen Roman zu schreiben. Doch drei unveröffentlichte Werke ließen sie dann fast mutlos werden. Es schien so, als müsste sie sich mit dem Erfolg als Drehbuchautorin begnügen. Mit „Durch das große Feuer“ startete sie einen letzten Versuch, der dann nicht nur veröffentlicht wurde, sondern gleich für Begeisterung sorgte und nun auch schon als Film in Planung ist. Für die Geschichte rund um die Freunde Gaunt und Ellwood ließ sie sich von realen Ereignissen genauso inspirieren, wie von Gedichten und Erzählungen, die sie abgeändert übernommen und in den Roman eingebaut hat. Dabei ergänzt sie die eigentliche Erzählung durch Briefe und Artikel der Schulzeitung „The Preshutian“, was ein durchaus geglückter Perspektivwechsel ist.
In Memoriam
Der englische Originaltitel lautet „In Memoriam“, was allein schon die Grausamkeit des Krieges zeigt. Während im Juni 1914 noch Gedichte und die üblichen Artikel über Veranstaltungen im „The Preshutian“ abgedruckt sind, werden es ab August 1914 immer längere Listen von gefallenen, verwundeten oder an ihren Verletzungen verstorbenen Mitschülern und Ex-Schülern sein. Die Nachrufe „In Memoriam“ lassen die Gefallenen noch einmal lebendig werden, wobei der heroische Gedanke sehr oft die Trauer zu überdecken sucht.
Manchmal plakativ und unrealistisch
Es braucht eine Weile, bis man sich in die Geschichte eingelesen hat. Das liegt nicht zuletzt an den unendlich vielen Namen, die gleich zu Beginn auf die Leserschaft einprasseln und im Laufe des Geschehens nicht weniger werden. Das liegt aber auch an der Schilderung des Internatslebens, das Gaunt und Ellwood führen. Mobbing, willkürliche Gewalt und sexuelle Übergriffe scheinen Normalität zu sein, an der sich keiner stört und die jeder mitmacht. Die jungen Männer scheinen ihre Gefühle zu unterdrücken und ihre aufkommende Sexualität ausschließlich mit ihren Mitschülern zu befriedigen. Der Eindruck, dass in diesem Internat jeder homosexuell zu sein scheint, ist doch sehr plakativ und wohl auch wenig realistisch. Dass die Autorin sich aber nicht unbedingt der Realität verschrieben hat, merkt man spätestens, wenn sich Schulkameraden ständig auf den weitläufigen Schlachtfeldern begegnen oder die ausgelebte Homosexualität nie auf Widerstand oder auch nur Kritik stößt – und das in Zeiten als sie noch strafbar war! Die ansonsten sehr emotionale und fesselnde Geschichte schwächelt in dieser Hinsicht gewaltig. Kleine Durchhänger können allerdings auch gerade im Mittelteil aufkommen, wenn das Geschehen so vor sich hindümpelt und erst durch ein einschneidendes Ereignis wieder in Fahrt kommt. Doch dann ist Spannung bis zum Schluss garantiert, denn Gaunt und Ellwood müssen durch viel Leid gehen, verändern sich nachhaltig und es ist fraglich, ob sie sich jemals wieder finden.
Wahre britische Gentlemen
Im Mittelpunkt des Romans stehen Ellwood und Gaunt, doch auch ihre Kameraden und Freunde spielen eine große Rolle. Durch ihre Erlebnisse wird die ganze Grausamkeit des Krieges offenbar. Die Autorin schildert die Szenen in den Schützengräben oder während der Attacken so plastisch, dass man manchmal schon fast zu viel Kopfkino bekommt. Doch selbst unter größten Schmerzen oder mit unendlich viel persönlichem Leid, scheinen die britischen Soldaten alle Gentlemen zu sein, die nie aus der Rolle fallen. Selbst in schwierigsten Situationen behalten sie ihre „stiff upper lip“ und ihr selbstloses Fairplay. Auch hier dürfte die Realität nicht immer so ausgesehen haben und die idealisierte Schilderung ist manchmal schon ein bisschen zu viel des Guten. Da tut es dann richtig gut, wenn, anders als Gaunt, zumindest Ellwood ernüchtert ist und teilweise biestig reagiert. Aber selbst die zu etwas klischeehaften Figuren vermitteln immer noch die ganze Tragik des Krieges, der brutal und grausam wütet und dennoch die Liebe nicht ganz auslöschen kann.
Fazit
In ihrem Debüt zeigt Alice Winn die ganze Grausamkeit des Krieges und die ungeheure Kraft der Liebe. Manchmal etwas plakativ und klischeebehaftet, schafft sie es dennoch in den Bann zu ziehen und ein Stück Weltgeschichte mit der Liebesgeschichte von Ellwood und Gaunt zu verbinden.
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