Das Theater am Strand

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Monika Wenger
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Belletristik-Couch Rezension vonApr 2023

Theater als Lebensschule.

Theater ist die große Leidenschaft der zwölfjährigen Cristabel Seagrave. Ihre Bühne besteht aus dem Skelett eines Wals, der 1928 am Strand von Dorset angespült wurde. Eine wundervolle Kulisse für Kinder und die Dienerschaft, die sich von Cristabel und ihren Produktionen in Bann ziehen lassen, während die Erwachsenen sich im Herrenhaus von Chilcombe mit Cocktailpartys, Kostümfesten und Soiréen ausgelassen die Zeit vertreiben. 

Das Wal-Theater entsteht

Die Geschichte der Familie Seagrave erzählt Joanna Quinn in erster Linie aus Cristabels Perspektive. Sie spielt in den Jahren 1919 bis 1945. Mit dem kleinen Mädchen, das im Alter von drei Jahren am Silvesterabend 1919 auf die Ankunft seiner neuen Mutter wartet, beginnt der Roman. Cristabels Vater, Jasper Seagrave, ein wohlhabender Witwer, hat sich mit der jungen Londoner Debütantin Rosalind verheiratet. Sie soll ihm den ersehnten Erben schenken und mit ihm den Fortbestand der Seagraves sichern. Doch es wird eine Tochter: Florence, genannt Flossie. Nach dem Unfalltod von Jasper heiratet Rosalind Jaspers Bruder Willoughby, Cristabels Onkel, und schenkt ihm einen Sohn: Digby. Die Halbschwester und der Cousin sind die wichtigsten Wegbegleiter für Cristabel.

Cristabel besitzt Temperament und ist phantasievoll. Gerade weil im grossen Anwesen Chilcombe sich, ausser dem Personal, niemand wirklich um sie kümmert, weiss sie, sich allein zu beschäftigen. Später wird sie die grosse Bibliothek ihres Vaters nutzen und sich Wissen aneignen. Flossie und Digby sind die Nutzniesser. Sie kommen immer wieder in den Genuss von Cristabels Geschichten und ihren Fantasien. „Jedoch hat ihre knappe Kenntnis von Fakten eine umso üppigere Glasur von Fiktion.“

Nach einer stürmischen Gewitternacht strandet ein Wal am Strand. Er wird später zur Theaterbühne, auf der, unter der Regie von Cristabel, Shakespeare-Stücke und die „Ilias“ aufgeführt werden. Die Aufführungen erlangen Berühmtheit.

Verschiedene Identitäten

Joanna Quinns Familiensaga spielt in fünf Akten, die jeweils bestimmten Jahren zugeordnet sind. In diesen Jahren erzählt sie vom Aufwachsen der Seagrave-Kinder und ihren Erfolgen mit den Theaterproduktionen, während die Erwachsenen in eine Art Lethargie verfallen und sich vor allem dem Feiern widmen. Mit dem Krieg verändert sich viel. Digby zieht ins Militär und wird später in Frankreich als Agent eingesetzt, genauso wie Cristabel. Flossie bleibt auf Chilcombe und übernimmt in diesen schwierigen Zeiten immer mehr die Rolle der Hausdame, indem sie den vorbeiziehenden Truppen ein Dach über dem Kopf und Unterhaltung bietet. Daneben wird sie eine richtige Bäuerin und zieht ihr eigenes Gemüse. Dem Seagrave-Nachwuchs kommt das erworbene Schauspielern in diesen Situationen entgegen. Es fällt ihnen nicht allzu schwer, die von ihnen geforderten Rollen im Leben anzunehmen und sich den Umständen anzupassen.

„Als ich zwölf war, wusste ich ALLES, und mit jedem Jahr meines Lebens wusste ich ein bisschen weniger, und darin liegt auch eine gewisse Freiheit. Das lässt Raum für eine Menge mehr.“

Fazit

Eine gut dosierte Portion englisches Lebensgefühl und eine bezaubernde Protagonistin bereichern diesen Roman, der außerdem noch Einblicke in den Widerstand im Zweiten Weltkrieg gewährt.  Ein herrlich unterhaltsamer Familienroman, der viel Lebensweisheit und einen stillen, feinen Humor in sich trägt.

Das Theater am Strand

Johanna Quinn, C. Bertelsmann

Das Theater am Strand

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