Es braucht Liebe und Freundschaft um Trauer zu überwinden
Schon mit ihrem Debüt „Das rote Adressbuch“ hat die Schwedin Sofia Lundberg bewiesen, dass sie einfühlsam und berührend erzählen kann. Immer wieder wählt sie Frauen als zentrale Figuren, deren Leben nicht rund läuft. Auch in ihrem neusten Werk ist das so, wenn Lundberg die gerade geschiedene Esther zur Protagonistin macht.
Jeden zweiten Samstag
Esther ist seit Kurzem geschieden. Ihre ganze Aufmerksamkeit und Liebe gehört ihrem kleinen Sohn Adrian. Doch der verlässt sie jede zweite Woche um bei seinem Vater zu wohnen. Diese Zeit ist für Esther kaum zu ertragen. Sie läuft oft zu einer Bank unter einer Eiche und betrachtet traurig das Meer. Dort lernt sie Rut kennen, eine alte Frau, die Esther zu trösten weiß. Die beiden verbindet bald eine innige Freundschaft. Doch eines Tages ist Rut verschwunden und meldet sich nicht mehr. Esther macht sich auf die Suche nach ihr und erfährt Ruts Lebensgeschichte, die viel dramatischer ist als sie es je geglaubt hätte.
Die Figuren tragen die Handlung
Im Mittelpunkt des Geschehens steht Esther. Die alleinerziehende Mutter erscheint auf den ersten Blick fast hysterisch zur Bemutterung ihres Sohnes zu tendieren. Mit ihrer ständigen Angst um Adrian und ihrer beider enger Beziehung agiert sie oft wie eine s.g. Helikoptermutter, die um ihr Kind kreist und deren Leben konzentrisch um dieses angeordnet ist. Erst langsam erfahren wir durch Tagebucheinträge, was sie in der Vergangenheit erlebt hat und welche Vorkommnisse zur Scheidung von Ehemann Alex geführt haben. Danach kann man sie mit anderen Augen betrachten, auch wenn die Selbstvorwürfe und der übermäßige Trennungsschmerz von Adrian nicht komplett nachzuvollziehen sind. Doch die führen sie zu Rut, der zweiten wichtigen Frau in diesem Buch. Sie scheint in sich gefestigt und gibt Esther mehr als einmal Halt. Die beiden Figuren sind in ihrer Unterschiedlichkeit hervorragend gelungen, wecken Empathie und binden sofort an eine Geschichte, die von Freundschaft, Liebe und Trauer erzählt.
Es kommt, wie es kommen muss
Die Geschichte hat mich so sehr gefesselt, dass ich die fast 400 Seiten ohne große Unterbrechungen gelesen habe. Der sehr einfühlsame und eingängige Schreibstil hat dabei, neben dem Plot sein Übriges getan. Erst gegen Ende der Erzählung und im Nachhinein taten sich einige Schwächen auf, die den Roman doch in einem ein wenig anderen Licht erscheinen lassen. Manches ist kaum realistisch und wurde so hingebogen, dass es die Handlung bilden kann. Gerade wenn Esther sich auf die Suche nach Rut macht, ist doch zu viel plakativ geschildert und es gibt fast zu viele glückliche Zufälle, die ihr weiterhelfen. Und auch schon vorher ist Realitätsnähe nicht immer zu finden. Aber – es ist ein Roman und die sollen unterhalten, was „Wo wir uns trafen“ bestens schafft!
Ruts Leben läuft im Hintergrund
Immer wieder sind es die beiden Tagebücher, die uns viel mehr über das Leben der beiden Frauen erzählen. Esther will damit ihre Schuldgefühle und Ängste bewältigen, während Ruts alte Aufzeichnungen ihr vergangenes Leben in Italien schildern. Rut legt ihre Tagebuchaufzeichnungen aber nur sehr dosiert offen und lässt ihre Geschichte damit zunächst in der Vergangenheit verharren. Doch je mehr man erfährt und Besuche in ihrem zerfallenden Elternhaus machen neugierig, welche Geheimnisse die alte Frau mit sich trägt. Erst als Esther sich auf die Suche nach Rut macht, tritt diese in den Vordergrund und offenbart uns ihre tragische Lebensgeschichte.
Ein Plädoyer für Freundschaft und Liebe
Esther und Rut trauern beide aus unterschiedlichen Gründen. Esther hat viel mehr mit Rut gemein, als diese annimmt. Doch Rut geht anders mit ihrer Trauer um, auch weil sie am Ende ihres Lebens angelangt zu sein scheint. Mit ihren Erfahrungen hilft sie Esther aus dem Sumpf aus Selbstvorwürfen und Ängsten herauszukommen. Ihre Freundschaft ist die beste Therapie für Esther und ein Lichtblick für Rut. Lundberg hält mit dem Roman ein wahres Plädoyer für Freundschaft und Liebe ab. Egal wie groß der Altersunterschied ist, sie sind ein hohes Gut, das es zu pflegen lohnt. Und beide braucht man um Trauer zu bewältigen und wieder Licht im Leben zu sehen und zuzulassen.
Fazit
Eine wunderschöne Geschichte! Gleichzeitig einfühlsam und fesselnd beschreibt Sofia Lundberg die Leben und die Freundschaft von zwei Frauen, die unterschiedlich sind und dennoch viel gemeinsam haben. Ein Lesegenuss, der ernste Themen auf leichte Weise anspricht und damit berührt und nachdenklich macht.
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