Gezeitenkinder

  • Heyne
  • Erschienen: März 2023
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Gezeitenkinder
Gezeitenkinder
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Monika Wenger
771001

Belletristik-Couch Rezension vonApr 2023

Das Wohl der Kinder im Fokus?

Hanna hat sich ihren Aufenthalt auf Norderney anders vorgestellt. Gemeinsam mit ihrer Cousine Evi hat sie sich als Pflegehelferin im Kindererholungsheim Strandhafer anstellen lassen. Aber Evi interessiert sich in Wirklichkeit nur für vergnügliche Momente und ist besessen von der Suche nach einer guten Partie. Unterdessen entdeckt Hanna im Heim etliche Ungereimtheiten, die ihr zu schaffen machen. Sehen so fürsorgliche Behandlungen für Kinder aus?

Die Suche nach Beweisen

Hanna ist enttäuscht. Enttäuscht, dass ihre Cousine nur ihr Vergnügen im Kopf hat und sich nicht Gedanken über die Vorkommnisse im Kinderheim machen will. Sie ist aber auch entsetzt. Entsetzt, als sie immer öfter Spuren eigenartiger Behandlungsmethoden an den Kindern entdeckt. Zu dem findet sie es irritierend, dass in den Zimmern der Kinder hierarchische Strukturen herrschen. Statt als Team zu handeln, bestimmt der Zimmerchef die Regeln. Irgendwie scheint das ganze Erholungsheim in der Vergangenheit stecken geblieben zu sein. Hanna kann mit ihren Ansichten nicht hinter dem Berg halten, deshalb steht schon bald die erste Verwarnung durch die Heimleitung an. Doch Aufgeben ist für die junge Pflegehelferin keine Option. Ihr liegen die Kinder am Herzen und so sucht sie nach Verbündeten, die helfen, Beweise zu sammeln. In Jan, einem Holländer, der nach seiner Tante sucht und Wilko, dem Hausmeister des Heims, findet sie Gleichgesinnte. Mit ihnen spürt sie ein Netzwerk auf, das bereits seit dem Krieg zu bestehen scheint.

Historisches spannend umgesetzt

Luise Diekhoff hat historische Fakten in ihren fiktiven Roman verwoben. Sie hält in der Danksagung ausdrücklich fest, dass es auf Norderney nie ein Heim wie das Strandhafer gegeben hat. Da fällt einem geradezu ein Stein vom Herzen. Aber solche Vorkommnisse gab es. Kinder, die als Versuchsobjekte und als Frustabbau schreckliche Behandlungen erlebt haben. Sie, die eigentlich zur Erholung geschickt wurden, dabei aber Entsetzliches erfahren mussten. Hanna, die Hauptfigur in dieser Geschichte, entwickelt sich von einem eher schüchternen und zögerlichen Mädchen in eine entschlossene junge Frau. Diese Verwandlung ist augenscheinlich und macht Hanna sehr sympathisch. Im Gegensatz zu ihrer Cousine Evi, die sich mit einem Arzt einlässt und seine Machenschaften deckt.

„Möglicherweise steckt das in jedem von uns. Mitzumachen ist nicht schwer, sich zu weigern eine Ausnahme. Ich glaube, das Problem ist immer das System. Es lässt sich nicht von innen korrigieren, nur von außen. Abhängig zu sein macht dich schwach. Genau deshalb kann in einer Gesellschaft nur die folgende Generation wirklich etwas verändern.“

Die Unterschiede der beiden Charaktere sind schön ausgearbeitet und zeigen die ungleichen Ansichten nicht nur zwischen den Cousinen, sondern eben auch innerhalb der Gesellschaft. Figuren, wie der Hausmeister Wilko, der Kinderarzt Dr. Pautsch und der Vater eines Heimkindes ergänzen die Handlung auf berührende Art und Weise.

Fazit

Es sind interessante Themen, denen sich die Autorin angenommen hat. Die Geschichte der Gefangenenlager und der Kindererholungsheime berühren sehr. Der Roman lebt von den historischen Fakten, die gute recherchiert sind. Und die aufkommende Spannung auf der Suche nach Beweisen macht es unmöglich, das Buch aus der Hand zu legen.

Gezeitenkinder

Luise Diekhoff, Heyne

Gezeitenkinder

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