Wenn die Welt aus Nationen und nicht aus Menschen besteht.
Eine innige Kinderfreundschaft verbindet Gerda und Thomas. Nichts finden die beiden schöner, als in Märchenbücher einzutauchen und sich ihre eigene Welt herbei zu träumen. Jahre später wird aus dieser Freundschaft Liebe. Aber die Standesdünkel und die politischen Veränderungen in Westpreußen lassen eine gemeinsame Zukunft in weite Ferne rücken.
Unter ihrer Würde
Gerdas Eltern, Baronin und Baron von Westkamm, sehen es nicht gerne, dass ihre jüngste Tochter mit dem Sohn des Gutshofs Blaes ihre Zeit verbringt. Die Westkamms sind schliesslich eine angesehene, ehrenhafte preußisch-protestantische Familie, während Thomas‘ Mutter eine katholische Polin ist. Deshalb gilt auch der Sohn als Pole, obwohl der Vater aus einer alteingesessenen preußischen Familie stammt. Für Gerda haben diese Unterscheidungen keine Bedeutung. Sie liebt Thomas und für sie ist klar, dass sie ihn später heiraten wird.
Nicht gerechnet hat Gerda mit den politischen und wirtschaftlichen Veränderungen. Das Gut ihrer Eltern ist mittlerweile hochverschuldet und zwingt ihren Vater, einen Investor zu suchen. Dieser ist bald einmal in der Person von Albrecht von Wolter gefunden. Ein vermögender Zweitgeborener. Als solcher sucht er ein passendes, eigenes Landgut. Und mit Gerda scheint er die geeignete Braut gefunden zu haben. Mit Vehemenz widersetzt sich sie sich jedoch diesem Ansinnen. Albrecht nimmt sich zum Trotz Gerdas Schwester Leonie zur Ehefrau. Sein Ziel verliert er aber niemals aus den Augen: Gerda.
Unterdessen studiert Thomas in Breslau und manch schrecklicher Vorfall ereignet sich in und um Gut Lapienen. Unter den gegebenen Umständen kann Gerda unmöglich bleiben. Sie flieht nach Danzig und findet dort Arbeit im Büro einer Reederei. Nach und nach nimmt sie ihr neues Leben an und findet ein kleines Glück. Jahre später muss sie wegen des Kriegs und den herannahenden Russen flüchten. Diese Flucht führt sie zurück nach Gut Lapienen.
Westpreußens Veränderung
Wie der Beginn eines Märchens beginnt die Erzählung. Das Thema Märchen zieht sich auch wie ein roter Faden durch den Roman und mildert die Schrecken der Realität. Denn Tatsache ist, dass der Erste und Zweite Weltkrieg spürbare Folgen für diesen Landstrich und seine Bewohner hat.
Die historischen Ereignisse in den Jahren von 1918 bis 1943 hat die Autorin sehr schön und detailreich in die Geschichte eingebunden. Obwohl vieles nur wie beiläufig Erwähnung findet und alles ein wenig weichgezeichnet erscheint, erfährt man viel über die damaligen Ereignisse. Die Lektüre hat Claudia Ley in Geschichten unterteilt. Sie stellt damit eine Verbindung zum Märchenthema her. Diese Märchen helfen Gerda, die schwierigen Lebensumstände und die Begebenheiten zu verarbeiten. „Aber die Märchen hatten ihr auch geholfen, sich diese Wirklichkeit zu erklären, um im Kleinen zu begreifen, was sie im Grossen nicht zu fassen bekam.“
Sehr schön ausgearbeitet hat Claudia Ley die vielen Facetten des gesellschaftlichen Lebens. Es lässt sich deshalb sehr gut nachvollziehen, wie sich die Standesunterschiede auf die Gemeinschaft auswirkten. Dabei spielten nicht nur Rang und Namen eine Rolle, sondern genauso Konfessionen und Vorurteile.
Fazit
Einnehmend und spannend erzählt Claudia Ley die Geschichte Westpreußens in den Jahren von 1918 bis 1943. Geschickt verbindet sie historische Ereignisse mit sympathischen Protagonisten und ergänzt diese mit einem Märchen von Hans Christian Andersen.
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