Erst ihr spurloses Verschwinden macht sie sichtbar.
An einem gewöhnlichen Sonntagabend verschwindet die Hausangestellte Nisha aus Sri Lanka spurlos. Ihre Arbeitgeberin Petra macht sich Sorgen – erst recht, als sie feststellen muss, dass die Polizei keine Anstalten macht, Nisha zu suchen.
Nisha ist verschwunden
In dieser gefühlvollen und eher leise erzählten Geschichte geht es in erster Linie um das Leben von Migrantinnen auf Zypern. Fern der Heimat verdienen sie den Lebensunterhalt für ihre Familien. Mit etwas Glück, finden sie eine gute Stelle, so wie Nisha.
Nisha hat ihre Heimat Sri Lanka vor zehn Jahren verlassen. Zurückgeblieben sind ihre damals zweijährige Tochter und ihre Mutter. Von diesen Details und die vielen einsamen Nächten, die geprägt sind von der Sehnsucht nach ihrer Tochter, weiss Nishas Arbeitgeberin Petra nichts. Sie hat sich nicht dafür interessiert, war mit ihrem eigenen Kummer beschäftigt. In Rückblicken reflektiert sie das Zusammenleben und ihr Verhalten. Ihre Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Angestellten macht ihr zusehends zu schaffen. Petra erkennt mit jedem Schritt, den sie unternimmt, den Menschen hinter dem Namen Nisha. Das haben ihre mittlerweile zwölfjährige Tochter Aliki und ihr Mieter Yiannis längst erkannt. Aliki liebt die Hausangestellte, die ihr zu einer Art Ersatzmutter geworden ist. Ebenso Yiannis, der Nisha heiraten möchte.
Nachdem die Polizei gleichgültig auf die Vermisstenanzeige reagiert und Petra auffordert, doch ein anderes Mädchen anzustellen, versuchen es Petra und Yiannis auf eigene Faust. Die Suche verändert nicht nur Petra und ihr Verhältnis zu ihrer Angestellten. Sie verändert auch das Umfeld, das nun bemerkt, welchen Einfluss Nisha auf ihr aller Leben hatte.
Keine Stimme, keinen Wert
Christy Lefteri hat die Handlung dieses Romans geschickt aufgebaut. Der Mensch Nisha erhält erst durch die Erinnerungen von Petra und Yiannis ein Gesicht. Abwechselnd erzählen sie aus ihrer Perspektive, so dass allmählich ein Bild der Vermissten entsteht. Nishas Verschwinden steht ja bereits zu Beginn des Romans fest, aber durch die Rückblenden und die unterschiedlichen Schilderungen werden ihre Lebensumstände, ihre Gewohnheiten und ihr Charakter offensichtlich.
Gemäß ihren eigenen Angaben hat das Verschwinden von mehreren ausländischen Hausmädchen auf Zypern Christy Lefteri zu diesem Roman inspiriert. Oft leben und arbeiten die Angestellten viele Stunden täglich, haben aber weder eine Stimme, noch einen Wert. Die Ignoranz ihnen gegenüber ist nicht in Worte zu fassen. Lefteri möchte dies ändern. Möchte, dass man hinsieht und die Menschen wahrnimmt. Ihrem Anliegen wird mit diesem feingestrickten eindrücklichen Roman Rechnung getragen.
Fazit
Dieser Roman vermag aufzurütteln und appelliert an die Menschlichkeit. Christy Lefteri hat das Migrationsthema einfühlsam und trotzdem anschaulich in ihrer Geschichte verarbeitet. Es ist eine ergreifende Lektüre, die nachdenklich macht und lange nachhallt.
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