In bewährtem Muster geschrieben
Silvia Moreno-Garcia hat bereits mit ihrem Debüt „Der mexikanische Fluch“ für Furore gesorgt und die Bestsellerlisten erobert. Das Konzept, ein Werk der Weltliteratur, dessen Urheberrechte abgelaufen sind, als Gerüst für einen eigenen Roman zu benutzen, hat ganz offensichtlich gut funktioniert. „Warum also im folgenden Projekt etwas daran ändern?“, hat sich die Autorin wohl gedacht und nun „Die Insel des Doktor Moreau“ von H.G. Wells genommen, um erneut einen Roman auf den Grundideen eines anderen Autors aufzubauen.
H.G. Wells
Der 1946 verstorbene Brite H.G. Wells war Biologe, wurde aber besonders durch seine Romane, die er selbst als „scientific-romances“ bezeichnete, bekannt. „Die Zeitmaschine“, „Der Unsichtbare“ und eben auch „Die Insel des Doktor Moreau“ gehören zu den Klassikern der Phantastischen Literatur. Wells war aber auch Anhänger der Eugenik, deren Idee von der „Selbststeuerung der menschlichen Evolution“ er in „Die Insel des Doktor Moreau“ einbaute. Im 3. Reich setzte Hitler mit der „Nationalsozialistischen Rassenhygiene“ die Theorie in grausame Praxis um und gab damit auch dem Roman von H.G. Wells einen bitteren Beigeschmack, obwohl dessen Grundaussage eigentlich eine andere ist. „Die Tochter des Doktor Moreau“ losgelöst von dem Wissen um Menschenexperimente während der Nazi-Diktatur zu lesen, fällt daher nicht leicht.
Was passiert in Yaxaktun?
1871 und 1877 auf Yucatán: Die junge Carlota wächst im Dschungel von Yucatán auf, wo ihr Vater, Doktor Moreau, im isoliert gelegenen Yaxaktun eine Forschungsstation betreibt. Als der Sohn des Geldgebers, Eduardo Lizarde, eintrifft, verlieben er und Carlota sich, die nun auf einen Platz in der gehobenen Gesellschaft von Mérida hoffen kann. Doch Carlota hat ein gefährliches Geheimnis, dass nicht nur ihr, sondern auch ihrem Vater und seinen geheimnisvollen Experimenten in den abgeschlossenen Laboren zum bedrohlichen Problem werden kann.
Viel Wells, wenig Moreno-Garcia
Wenn man den Roman von H.G. Wells kennt, wird man nur wenig Neues in „Die Tochter des Doktor Moreau“ finden. Nicht nur wurden Namen unverändert übernommen, die Grundlage für den Plot ist gleich: Experimente an Mensch und Tier, die zu einem unausweichlichen Konflikt führen. Moreno-Garcia wählt lediglich abermals Mexiko als alternatives Setting, was mit der Halbinsel Yucatán und den dort ansässigen Maya für einen leicht abgeänderten Konflikt sorgt. Lediglich die Figur Carlota ist völlig neu. Mit ihr bringt die Autorin feministische Themen in die Geschichte. Das junge Mädchen wächst in den Traditionen ihrer Zeit auf, wandelt sich dann aber zu einer unabhängigen Frau, die für ihre Überzeugungen kämpft. Leider muss für diesen Werdegang eine recht seichte Liebesgeschichte herhalten, die es in dem Roman von H.G. Wells auch nicht gab. Doch gerade die Aspekte, die nicht aus „Die Insel des Doktor Moreau“ entlehnt wurden, erscheinen nur sehr plakativ geschildert. Hat man einmal das Grundproblem erfasst, ist fast gleichzeitig klar, worauf das Ganze hinauslaufen wird.
Der Roman hat Längen
Schon „Der mexikanische Fluch“ hat nicht alle völlig überzeugt. Während die einen gänzlich begeistert waren, haben andere gerade die Längen in der Geschichte kritisiert. Und auch bei dem vorliegenden Roman dürfte das nicht anders sein. Moreno-Garcia stellt in ihren kurzen Kapiteln zwar immer eine andere Person in den Mittelpunkt und sorgt dabei für eine geänderte Perspektive, doch schildert sie dadurch manches auch doppelt. Doch nicht nur das zieht den Plot in die Länge, einfach alles wird zu ausladend und dadurch doch recht langweilig geschildert. Der wenig fordernde Stil mit belanglosen Dialogen tut den Rest um das Durchhaltevermögen der Leserschaft ganz schön auf die Probe zu stellen.
Fazit
Wieder wählt Silvia Moreno-Garcia einen Klassiker der Phantastik als Grundlage für ihren zweiten Roman. An diesem dürften sich die Geister abermals scheiden: die einen werden maßlos begeistert sein, während die anderen lieber auf das Original von H.G. Wells zurückgreifen. Man sollte sich auf eine fantasievolle aber wenig spannende Geschichte einstellen, die Längen aufweist und zudem die Eugenik als zentrales Thema hat.
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