Jeanie Masterson, das Leben und die Liebe.
Jeanie Masterson arbeitet im Bestattungsunternehmen ihrer Eltern und hat eine besondere Gabe: Sie kann noch für eine kurze Zeit die Stimmen der Toten hören und mit ihnen sprechen. Deren Botschaften überbringt sie den trauernden Hinterbliebenen. Dabei erfährt sie auch durchaus Geständnisse, die vielleicht besser bewahrt werden sollten und gelegentlich erfindet sie eine eigene Wahrheit. Jedenfalls ist der Betrieb weit über die Stadtgrenzen von Kilcross hinaus bekannt und die Dienste der Mastersons sehr gefragt. Als Jeanie eines Tages erfährt, dass sich ihre Eltern in den Ruhestand begeben und künftig die Geschäfte in ihre Verantwortung übergeben möchten, ändert sich das Leben von Jeanie schlagartig.
Familiäre Konflikte, handfeste Ehekrisen und besondere Freundschaften
Das aber hat vor allem mit Jeanie Masterson selber zu tun. Nicht nur dass sie sich übergangen fühlt, da sie mit diesen Planungen vor vollendete Tatsachen gestellt wird. Mit gerade mal knapp 30 Jahren steht sie unerwartet an einem bedeutenden Scheideweg ihres Lebens, beginnt sich und ihre Motivation zu hinterfragen und stellt auch fest, dass sich die Bedeutung der Menschen um sie herum verändert hat. Wir erleben Jeanie Masterson fortan inmitten einer vielfältigen Gefühlswelt, in der sie zwischen selbst gewähltem Schicksal, familiärer Verpflichtung, verpassten Chancen, Selbstzweifeln und unausgesprochenen Sehnsüchten schwankt.
Anne Griffin entwirft hier glücklicherweise keine schlichte, weichgespülte Romanze mit zuckersüßem Happy-End. Wie im richtigen Leben läuft demnach auch in Kilcross und bei Jeanie nicht alles rund. Aus familiären Konflikten, handfesten Ehekrisen und besonderen Freundschaften erwachsen immer wieder tiefsinnige und feinfühlige Momente, die uns nachdenklich stimmen, überrascht innehalten oder seufzend die Seite umblättern lassen. Vor allem aber wachsen uns mit jeder Seite die liebenswerten Figuren mehr ans Herz.
Mit gut ausbalancierten Rückblenden in die nicht ganz einfache Jugend- und Studienzeit von Jeanie, dem Aufwachsen mit ihrem autistischen Bruder, zu ihrer großen Liebe Fionn oder ihrem Ehemann Niall, formt Griffin ihre Hauptfigur, verleiht ihr Tiefe und vor allem Lebensnähe. Nur gelegentlich wirken mir manche Dialoge und Gedankengänge doch etwas aufgesetzt, werden emotionale Aspekte zu überlegt aufgeworfen. Dass Jeanie Masterson tatsächlich mit den Toten sprechen kann ist zwar ein essentieller Bestandteil der Geschichte, doch Griffin arbeitet diesen Aspekt behutsam in die Geschichte ein, so dass es einfach fällt, ihn nicht kritisch zu hinterfragen. Viel eher klammern diese besonderen Gespräche zentrale Lebensfragen, geben dem Tod eine Bedeutung und werfen ergänzende Schlaglichter auf Lebenswege und Entscheidungen. Dennoch, auf dieses spirituelle Element muss man sich natürlich einlassen können.
Fazit
„Die Bestatterin von Kilcross“ ist eine berührende Erzählung über das Leben und die Liebe, in der wir uns alle auch immer wieder selbst entdecken können. Nach dem kurzweiligen Lesevergnügen und einem wehmütigen Blick auf das stimmungsvolle Covermotiv möchte ich eigentlich gerne nochmal nach Kilcross zurück, um zu schauen, wie es in dem kleinen irischen Dorf nun zugeht.
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