Ein Koffer führt zu tragischen Ereignissen
Anwältin Cara kommt durch Zufall in den Besitz eines alten abgetragenen Koffers. In ihm findet sie Feldpost-Briefe aus dem zweiten Weltkrieg, die von einer großen Liebe erzählen. Sie findet aber auch einige Fotos und einen ungewöhnlichen Vertrag über den Verkauf einer Villa in Kassel. Cara beginnt zu recherchieren und stößt auf eine tragische Liebesgeschichte, Betrug und Verrat – und alles hat Auswirkungen bis in die heutige Zeit.
Eine begnadete Geschichtenerzählerin
Mechthild Borrmann hat erst relativ spät als Autorin debütiert. Zuerst veröffentlichte sie Erzählungen und Kriminalgeschichten, bevor sie 2012 mit „Der Geiger“ ihren ersten Roman schrieb, für den sie gleich zwei Auszeichnungen erhielt. Gerne verknüpft sie geschichtliche Themen aus der Kriegs- und Nachkriegszeit mit deren Auswirkungen auf die Gegenwart. So auch im vorliegenden Roman, der in Kassel spielt und neben einer tragischen Familiengeschichte auch viele geschichtliche Details enthält. Dabei beweist sich Borrmann wieder einmal als begnadete Geschichtenerzählerin. Atmosphärisch dicht verwebt sie verschiedene Perspektiven und ständige Zeitsprünge und Rückblenden zu einer Familiengeschichte, die packender nicht sein könnte und von Anfang an die Leserschaft in ihren Bann zieht.
Was geschah damals?
Der Einstieg in das Geschehen erscheint ein wenig konstruiert, doch das ist schnell vergessen. Und so ganz abwegig ist der Erhalt eines Koffers mit historischem Inhalt dann vielleicht auch nicht, dürften so einige noch unentdeckt auf Dachböden, Kellern oder in Trödelläden existieren. Dazu sind Briefe immer ein Blick in die Vergangenheit und damit auch eine Art Zeitzeugen. Leider belässt es Borrmann aber nicht bei diesen Briefen, die allein schon eine tragische Geschichte erzählt hätten. Sie packt zudem noch Widerstand, Verrat, Flucht, Lügen hinein und kann dabei ihr Faible für Kriminalgeschichten auch in diesem Roman nicht verbergen. Durch diese Themenvielfalt wirkt das Geschehen manchmal etwas überfrachtet. Doch das verzeiht man schnell, denn die Sogwirkung der Geschichte ist gewaltig und bald ist man gefesselt von den Familien Kuhn und Martens, die mit der Nazizeit ganz unterschiedlich umgehen und damit auch ein kleines Stück deutscher Zeitgeschichte repräsentieren.
Kassel als Ort des Geschehens
Während andere Städte, wie München oder Berlin, gerne Handlungsorte in diversen Geschichten sind, wird Kassel nicht oft bemüht. Auch daran mag es liegen, dass man die Stadt vielleicht nur wegen der Documenta oder dem Hercules-Denkmal kennen könnte. Sie hat aber auch eine sehr interessante Vergangenheit. Natürlich hatte die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung auch vor Kassel keinen Halt gemacht und Widerstand oder auch nur Widerrede wurden generell scharf geahndet. Mechthild Borrmann scheint ausgiebig recherchiert zu haben, denn sie lässt die Zeit des Naziregimes aufleben. Der anschaulich und detailreich erzählte geschichtliche Hintergrund macht sie daher auch zu einer Chronistin, die ihrer Leserschaft neben einer fiktiven Familientragödie auch ein Stück Zeitgeschichte der Stadt Kassel zeigt.
Fazit
Mechthild Borrmann ist wieder einmal eine gekonnte Kombination aus historischen Ereignissen und fiktiver Familiengeschichte gelungen. Fesselnd, atmosphärisch dicht und einfühlsam erzählt, ist „Feldpost“ ein Lesegenuss von Anfang an.
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