Ein intensives und packendes Sozial-Drama.
Kiko Amat erzählt die Geschichte von Amador, dem Vizechef der Lokos, einer gewalttätigen, kriminellen Hooligan-Gruppierung des FC Barcelona. Und da ist noch César, ein ehemaliger Rugbyspieler, der im Auftrag Missbrauchs- und Unfallopfer rächt. Eines Tages soll die beiden das Schicksal gegeneinander führen.
Abtauchen in ein raues Milieu
Der 1971 geborene Autor Kiko Amat stammt selbst aus einer Trabantenstadt in der Peripherie von Barcelona. Das urbane Setting in seinem neuen Roman versprüht entsprechend viel Authentizität. Mit der Verwendung von Vokabular aus einem extra ersonnenen Slang - dem Lokoslingo - verleiht Amat den Ereignissen um seine Figuren zusätzlich Eigenständigkeit und Griffigkeit. Wir tauchen unmittelbar ab in ein trostloses und raues Milieu, das geprägt ist von skrupelloser Banden-Kriminalität. In strengen Hierarchien haben hier wenige das Sagen, bestimmen das Regelwerk. Doch halten in diesem Mikrokosmos alle für ihre Sache zusammen - nicht nur, wenn es um den großen, international erfolgreichen Fußballverein geht. So werden wir aber auch nicht nur einmal Zeuge, wenn brutal gegen Regelbrecher oder Störenfriede vorgegangen wird. Oder wenn sich aus Lust und Laune Gewalt willkürlich ihren blutigen Weg bahnt.
In dieser ruppigen Realität mit seinen besonderen sozialen Rahmenbedingungen versuchen auch Amador und César ihren Alltag zu meistern, den zugetragenen Rollen gerecht zu werden und ihren Lebensweg zu beschreiten. Gewalt ist dabei fester Bestandteil. Wir schauen auf harte Fassaden, die kaum echte Gefühle zulassen und ein Zeichen von Schwäche unmittelbar gegen einen verwendet wird. Der ehemalige Skinhead Amador hat Halt bei den Lokos gefunden und sich Respekt verschafft. Aber er ist schwul und lebt seine sexuelle Orientierung versteckt vor den Mitgliedern der Lokos aus. Alles andere wäre hier ein fataler Fehler. Und César wird vor eine unerwartete Herausforderung gestellt, als er seine Nichte bei sich unterbringen soll, da seine Schwester - mal wieder - in Schwierigkeiten steckt. Und diese Schwierigkeiten möchte César auf seine Art beseitigen. Die Spur führt zu den Lokos.
Kiko Amat hat ein außerordentlich feines Gespür, Szenen und Dialoge zu verdichten und sie trotzdem in detailreiche und wuchtige und klare Bilder zu verpacken. Seine Figuren werden uns mit jeder Seite vertrauter auch durch den Blick in die jeweilige Vergangenheit. Immer mehr entfalten sich gegensätzliche Gefühlswelten, brechen neben Gewalt und Brutalität zarte, berührende Momente durch. Fast spürbar und schmerzhaft ist die innere Zerrissenheit insbesondere bei Amador. Beim Lesen keimt gelegentlich Hoffnung auf Veränderung auf, wohl wissend, dass es ein schmaler Grat ist, auf dem wir wandeln. Der Schluss bereitet wahrlich Gänsehaut und wir bemühen für einen Moment unser Kopfkino, wissend nach all der Zeit, die wir am Rande von Barcelona verbracht haben, wie es für Amador enden wird.
Fazit
„Revanche“ ist ein intensiver Roman und wahrlich nichts für zart besaitete Gemüter, auch wenn es im Kern um große Gefühle, die Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit geht. Doch um an diesen Kern zu gelangen, müssen wir wie Amador und César durch eine Spirale der Gewalt. Kiko Amat erzählt ein packendes Sozial-Drama, das ebenso erschüttert wie berührt.
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