Rassismus ist ein globales Gift.
1927 tritt in Südafrika ein Gesetz in Kraft, das Beziehungen zwischen Weißen und Schwarzen verbietet und unter Strafe stellt. Doch Abram und seine Frau Alisa fühlen sich sicher, denn sie sind seit Jahren rechtmäßig verheiratet – bis ein Beamter kommt, um ihr Weingut zu besichtigen. Jetzt ist klar, dass sie und auch ihre beiden kleinen Töchter in Gefahr sind. Flucht erscheint als einzige Lösung. Doch Abram zögert und so kommt es zu einer Katastrophe.
Eine neue Stimme Afrikas
Die Südafrikanerin Rešoketšwe Manenzhe hat bisher Gedichte und Kurzgeschichte veröffentlicht. Mit ihrem Roman-Debüt „Wir Zerrissenen“ hat sie sich zu einer der neuen beeindruckenden Stimmen Afrikas gemacht, die zum Glück auch außerhalb des Kontinents Gehör bekommen. Manenzhe thematisiert ebenfalls die unmenschliche Vergangenheit ihres Landes, taucht dabei aber auch tief ein in die Mythen der südafrikanischen Stämme. Herausgekommen ist ein Buch, das zeigt, ein rassistisches System gab es zwar offiziell nur in Südafrika, doch Ausgrenzung und Schmach mussten schwarze Menschen weltweit ertragen.
Alisa wird ihr Leben lang ausgegrenzt
Alisa ist eine Protagonistin, die von Beginn an ihre Verzweiflung zeigt, die sehr schnell in Resignation und Aufgabe mündet. Erst im Nachgang erfahren wir von ihrem Leben, das als Tochter eines Sklaven in der Karibik begann und dann in einem sehr wohlhabenden Elternhaus in London mündete. Doch was hätte so schön sein können für die intelligente junge Frau, war ein beständiger Spießrutenlauf.
„Schwester Mary hatte damals - möglicherweise unabsichtlich –, den Grundstein dafür gelegt und die fremden Menschen, die mit ihren Fingern auf uns zeigten und sich flüsternd unterhielten, hatten die Mauer weiter in die Höhe gezogen. Oder vielleicht waren es unsere Familienverhältnisse oder meine Veranlagung zur Melancholie, oder ich hatte es mir, wie meine Mutter so treffend formuliert hatte, nicht zugestanden mein Zuhause als Heimat zu akzeptieren“.
Auf der Suche nach ihren Wurzeln und um vielleicht auch endlich anzukommen und die Mauern einzureißen, fährt sie nach Afrika. Doch ihre Illusionen platzen schon auf dem Schiff, das zwar ihrem Vater als Reeder gehört, sie als seine Tochter aber sogar hier die geschmähte Schwarze bleibt. Selbst zu Zeiten des eigentlichen Glücks kann sie die Getriebenheit und Ausgrenzung nicht ablegen, die sie nun auch für ihre beiden kleinen Töchter fürchtet.
„Diese unendlich liebenswerte Miss Alisa, die durch die große weite Welt gereist war, um nach etwas zu suchen, das sie am Leben festhielt, etwas, das erklären könnte, warum sie so unvermittelt von einer Laune zur anderen tanzte, hin und her und her und hin. Ach dieses Etwas, nachdem sie auf der Suche war, glitt ihr immer wieder durch die Finger, bis sie eines Tages zu weit tanzte und eine Tat beging, die nicht ungeschehen gemacht werden konnte.“
Schwer zu ertragender Rassismus
Die ganze Geschichte von Alisa, Abram und ihren beiden Töchtern ist durchdrungen von der Brutalität des Rassismus, der vor Niemandem Halt machte und alle betraf. Und das eben nicht nur in Südafrika, sondern weltweit. Das macht „Wir Zerrissenen“ zu einem sehr eindringlichen Werk, das einige Nervenstärke von der Leserschaft verlangt. Zum einen, weil Manenzhe zeigt, dass Menschen, denen Rassismus fern lag, auch von diesem in den Abgrund gezogen werden können. Zum anderen, weil sie das Ende offenlässt und damit keinen Lichtblick für Abram und seine Tochter schafft. Außerdem schleicht sich das Bewusstsein um den globalen Rassismus in unserer heutigen Zeit immer dinglicher in die eigenen Gedanken und man muss sich in aller Klarheit eingestehen, dass die Ausgrenzung Andersaussehender oder Andersdenkender kein historisches Ereignis ist, sondern ein sehr aktuelles.
Kein leicht zu lesender Stil
Manenzh schreibt ihre Geschichte in einem flüssigen, aber dennoch gewöhnungsbedürftigen Stil. In den Mythen und Geschichten der Stämme benutzt sie eine eher blumig-poetische Sprache, während in den anderen Teilen des Romans immer wieder längst abgearbeitete Floskeln, wie „zu Tränen gerührt“ oder „…, die ihr zu Herzen ging“ gebraucht werden. Das nimmt dem Text die Homogenität, der so quasi zweigeteilt erscheint. Man muss sich darauf einlassen und sich zudem den manchmal relativ verschachtelten Sätzen stellen, vor allem aber dem langsamen Erzähltempo eine Chance geben, um aus „Wir Zerrissenen“ ein wirkliches Leseerlebnis zu machen. Dann taucht man ein in die fesselnde Tragödie einer schwarzen Frau, die selbst nach deren Tod tragische Konsequenzen für ihre Familie hat.
Fazit
Rešoketšwe Manenzhe ist eine neue laute Stimme Afrikas. In ihrem Debüt macht sie eindrücklich klar, dass Rassismus ein globales Gift ist, das weite Kreise ziehen kann. „Wir Zerrissenen“ ist nicht immer einfach zu lesen, hinterlässt aber einen tiefen, bleibenden Eindruck.
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