Klar, kraftvoll, berührend
Mizuki ist Mutter von zwei Kindern und lebt mit ihrer Familie in Tokio. Die Ehe mit ihrem Mann ist schon lange nicht mehr von inniger Zweisamkeit geprägt. Die Herausforderungen der Kindererziehung machen ihr das Leben auch nicht leichter. Doch als Mizuki eines Tages den attraktiven und sympathischen Restaurantbesitzer Kiyoshi kennenlernt, gerät ihr Lebenskonzept gehörig ins Wanken.
Träume, Sehnsüchte und … die Realität
Emily Itami entwirft anfänglich einen ebenso gewöhnlichen, wie herausfordernden Familien-Alltag in einer von Distanz geprägten Beziehung. Der Ehemann lebt ausschließlich für seinen Beruf, während sich Mizuki ihrem jungen Sohn und ihrer Teenager-Tochter widmen muss. Trotz finanzieller Sicherheit und bei aller Liebe zu ihren Kindern, stößt sie an ihre Grenzen. Sie ist gefangen zwischen Pflichten und Sehnsüchten, Aufopferung und Liebe. In ihren teils widersprüchlichen Gefühlswelten sucht sie vor allem nach sich selbst, reflektiert über ihr Leben.
Das in der Millionenmetropole Tokio angesiedelte Setting gerät dabei wie ein Verstärker. Denn die anspruchsvolle, gesellschaftliche Umgebung übt mit eingeforderter Disziplin und teils streng anmutende Normen weiteren Druck aus. So erhalten wir im Laufe des Romans Einblicke in die japanische Kultur und urbane Lebensweise. Die gelegentlich verwendeten japanischen Begriffe werden glücklicherweise im Glossar erläutert.
Dass Emily Itami ihre Protagonistin ausgerechnet als Sängerin und junge Frau für ein paar Jahre in New York hat leben lassen, ist ein raffiniert eingeflochtener und äußerts reizvoller Gegenpol, der Mizuki zusätzliche Facetten verleiht und darüber einen kritischen und wechselhaften Blick auf ihre Heimatstadt erlaubt. Denn mit ihren Wesenszügen eckt sie durchaus an und wirkt mitunter wie eine Fremde in ihrer vertrauten Umgebung.
Emily Itami würzt die Geschichte immer wieder mit einer feinen Prise Humor, rutscht niemals in Kitsch und übertriebene Romantik ab, drückt nicht unnötig auf die Tränendrüse. Dennoch geraten die Begegnungen mit Kiyoshi wunderbar feinfühlig und zart. Wie eine Blüte, die sich langsam öffnet, wird Mizukis Lebensfreude neu entfacht, um doch vergeht sie in Selbstzweifeln. Aber so entsteht ein glaubwürdiges Bild einer Mutter und Ehefrau, die schon bald eine Entscheidung treffen muss.
Fazit
"Eine kurze Begegnung" ist weder klischeehafter Beziehungsroman noch verklärte Lebensbeichte einer Affäre. Emily Itami erzählt in ihrem Debüt eine moderne Geschichte über Familie, die Liebe und die Veränderungen im Leben. Sie berührt mit dieser alltagsnahen Suche nach Identität auf eine klare und kraftvolle Weise, da sie einen inneren Konflikt aufwirft, dem das einfache Bedürfnis einer Frau zugrunde liegt: gesehen und geliebt zu werden.
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