Eine zerrissene Geschichte.
Der Ire Donal Ryan hatte es schwer als Schriftsteller Fuß zu fassen. Mit einem völlig anderen beruflichen Hintergrund ausgestattet, wurden seine Romane lange nicht verlegt. Doch als sein Debüt „The Spinning Heart“ („Die Gesichter der Wahrheit“) 2012 erschien, wurde es gleich für zahlreiche Preise nominiert und auch ausgezeichnet, wie auch seine nachfolgenden Werke. „Seltsame Blüten“ ist sein fünfter auf Deutsch erschienener Roman, der abermals in Irland spielt.
Moll verschwindet spurlos
Als Kit und Paddy Gladney eines Tages im Jahr 1973 aufwachen, ist ihre Tochter spurlos verschwunden. Fünf Jahre bleibt Moll unauffindbar, bis sie, inzwischen 25 Jahre alt, wieder vor der Tür steht. Doch diese Frau hat nicht mehr viel von dem Mädchen, das die Wunscherfüllung ihrer schon betagten Eltern war. Warum Moll verschwand, bleibt ein Rätsel. Dann steht auch noch die Polizei vor der Tür und stellt Kit und Paddy vor weitere Herausforderungen.
Der rote Faden fehlt
Was sich wie ein fesselnder Roman anhört, ist leider nur am Anfang wirklich packend. Die Jahre des Verlustes von Moll machen gleich deutlich, dass Donal Ryan nicht unbedingt die Spannung in den Mittelpunkt des Geschehens stellt. Immer wieder baut er Vorkommnisse als wichtig für das Geschehen auf, bloß um sie dann im nächsten Kapitel wieder ad acta zu legen. Das macht aus dem Roman eine heterogene Geschichte, die vor sich hinplätschert und, über Jahrzehnte erzählt, immer andere Protagonisten hat. Es fehlt einfach der rote Faden. Der ist zwar durch den Aufbau als Familiengeschichte latent vorhanden, aber dennoch ist der gesamte Plot in unterschiedliche Phasen geteilt, die kaum Bezug auf die Protagonisten davor nehmen. Empathie für die Handelnden ist daher schwer möglich und selbst das Interesse an der Geschichte überhaupt, setzt der Autor aufs Spiel, auch wenn er durch (etwas vorhersehbare) Wendungen versucht, die Leserschaft bei Stange zu halten.
Irland und die Iren
Donal Ryan spricht auf den lediglich 272 Seiten zahlreiche Themen an und zeigt abermals das Leben in Irland, wie es auch heute noch in vielen Teilen zu finden ist. Religion spielt besonders bei Kit und Paddy in den 70er-Jahren eine große Rolle, als der katholische Glaube neben tradierten Rollenbildern noch der Mittelpunkt im Leben Vieler ist. Traditionen, Vorurteile, die Situation der Bevölkerung in ländlichen Gegenden und vor allem die ständige Angst das Gesicht zu verlieren, sind als Hintergrund in der Handlung zu finden. Selbst eine Geschichte in der Geschichte nimmt diese Themen teilweise auf. Dadurch wird das Geschehen zwar zum Abbild der irischen Gesellschaft, aber dennoch kaum tiefgründig interessant.
Fazit
„Seltsame Blüten“ ist eine Geschichte ohne wirkliche Höhepunkte, bei der mir der rote Faden fehlt. Dennoch zeigt sie die irische Gesellschaft, die in der erzählten Zeitspanne kaum Veränderungen durchmacht und vor allem durch Konventionen und Religion geprägt ist.
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