Ist Millas Großmutter wirklich eine Mörderin? – Eine junge Frau auf der Suche nach ihren Wurzeln
Die Idee einen Romans zu schreiben, der in der Zeit nach der Wende spielt und die Geschehnisse und die Historie rund um ein Leben in der DDR aufgreift, ist nicht neu. Der Plot beginnt aber zunächst in der Gegenwart: Man begegnet der glücklichen Milla, die schwanger ist und ihren Freund Navid heiraten möchte. Navid stellt Milla die Fragen, die in ihrer Familie immer ein Tabu waren und auch noch sind: Wer ist ihr unbekannter Vater? Wo sind ihre Wurzeln? Was hat es mit dem Mann auf sich, der ungeheure Dinge über ihre Großmutter behauptet und ihr sogar einen Mord vorwirft? Milla lässt sich von den Navids Neugier anstecken und beginnt nachzuforschen, auch wenn ihre Mutter Jola und ihre Großmutter Agnes strikt dagegen sind. Milla, die doch sehr tolerant in einer WG mit ihrer Mutter und deren homosexuellen Freunden aufgewachsen ist, weiß nur, dass Jola über die grüne Grenze von Ungarn nach Berlin-Zehlendorf flüchtete. Die Recherchen Millas ergeben ein anderes Bild ihrer Familie, als sie erwartet hat. So reicht dies weit in die Zeit der DDR hinein, in das Agieren der Staatssicherheit und handelt von Liebe, Verrat, Enttäuschungen und dem Mut, etwas zu wagen.
Rückblenden führen in die Vergangenheit der Familie
Das Geschehen spielt hauptsächlich in der Hauptstadt Berlin. Die Autorin baut Rückblenden ein, durch die der Lesende in die Vergangenheit der Familie eintauchen kann. Nach und nach kommen gut gehütete Geheimnisse ans Licht. Milla, eine der Hauptprotagonistinnen, hat durch ihre Mutter nie erfahren, wer ihr leiblicher Vater ist. Jola weigert sich strikt, ihr den Namen zu verraten. So erhält man hier eine Möglichkeit der Identifikation oder zumindest der Empathie in der Hinsicht, dass es wichtig ist zu wissen, wo man herkommt und welche Wurzeln man hat. Die Autorin spielt hier mit dem Urbedürfnis jedes Menschen nach einem Gefühl der vollkommenen Zugehörigkeit zu einer Familie, einer stabilen Gemeinschaft. Die Frage ist nur, auf was man alles vorbereitet ist, und ob es nach dem Wissen über die vergangenen Geschehnisse und Familiengeheimnisse immer noch so sein kann wie vorher. Ulla Mothes gelingt es, die Zerrissenheit deutlich zu machen, die hier vorherrscht. Allerdings ist Navids Verhalten seiner zukünftigen Frau gegenüber ziemlich übergriffig. Er ist aus Kabul geflüchtet, hat tragischerweise seine Familie verloren und legt sehr viel Wert auf seine Herkunft. Das ist auch verständlich. Aber er kann nicht nachvollziehen, wie Milla mit ihrer ungeklärten Familiengeschichte umgeht und das Schweigen ihrer Mutter hinnimmt. Der Druck, den er ausübt, nimmt ihm ein wenig der Sympathie des Anfangs.
Die Figur der Großmutter spielt eine große Rolle, agiert sie doch auch im Hintergrund. Dabei kann sie, vor allem durch ihre Vergangenheit, ihre Taten und ihre Lebenseinstellung, nie mit Sympathie punkten. Die Familie erscheint eher wie ihr Spielball, den sie nach Belieben in die ihr angenehme Richtung werfen kann.
Leicht verständlicher Stil, teilweise zu ausschweifend
Ulla Mothes Schreibstil ist leicht verständlich, manchmal etwas zu ausschweifend und emotional, sodass die Grenze zum Kitsch an einigen Stellen fast verschwimmt. Der Roman reiht sich in die momentan auf dem Buchmarkt erschienen Bücher über das Leben in der DDR und die Zeit nach der Wende ein und kann sich leider aus dieser Masse nicht abheben. Dazu sind die Figuren nicht gänzlich authentisch gezeichnet und teilweise in ihrer Entwicklung durchschaubar.
Fazit
Ein Stück Zeitgeschichte, die es gilt, herauszufinden, wenn man sich seiner eigenen Herkunft in der Familie nicht gewiss ist. So empfindet es die Hauptfigur Milla, die von ihrem Mann gedrängt wird, sich mit den Geheimnissen rund um ihre Familie zu befassen. Zu Beginn nimmt das Geschehen Fahrt auf, leider wird es danach nicht besser. Man driftet in eine Geschichte ab, die an der ein oder anderen Stelle einen Schubser und weniger Kitsch gebraucht hätte.
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