Einen Roman über eine Familie, den man gelesen haben sollte
Carl ist im Krieg gefallen. Damit muss sich die Familie in der Hofmühle abfinden. Dies gelingt mehr schlecht als recht. Doch dann steht er plötzlich 1918 in einem eiskalten Winter vor der Tür. Zunächst will niemand glauben, dass er es wirklich ist. Sein Auftauchen ist für alle gefährlich. Gerade zu dieser Zeit ist sein Zwillingsbruder Eugen aus Amerika auf den Hof zurückgekehrt. Nur zu Besuch behauptet er. Scheinbar hat Eugen sein großes Glück gefunden.
Mit Carl wird allerdings nicht über die erste Generation erzählt, die auf dem Hof lebte. Alles beginnt 1828 als Rosa Brugger, gerade mal achtzehn Jahre alt, aus dem Dorf in die Stadt Wien zieht, um als Dienstbotin für eine reiche Familie zu arbeiten und endet nach dem Ersten Weltkrieg rund um den eigentlichen Auswanderer Eugen Brugger.
Mehrere Generationen und prägende Jahre
Der erste Roman der österreichischen Schriftstellerin erschien 2011. Nun hat sie sich an ein Thema gewagt, das sehr bewegend ist und in einer ereignisreichen Zeit voller historischer Besonderheiten spielt. Als Ort hat sie eine Hofmühle gewählt und es werden mehrere Generationen der Familie Burger begleitet. Ihr Alltag und ihr Empfinden sind eng mit dem gesellschaftlichen Leben im Dorf verknüpft. Die Autorin verbindet historische Gegebenheiten mit den Geschichten tiefgründig gezeichneter Protagonisten. Jede Generation verfügt über ihre eigenen Erlebnisse, die voller Liebe und Leid stecken. Vor allem Frauen spielen eine große Rolle, die im Hintergrund agieren und die Geschicke lenken. Im Roman lernt man eine große Zahl von Protagonisten kennen, die aber in einer Übersicht nachlesbar sind.
Wechselnde Zeitebenen und eine dichte Erzählweise
Als Lesender befindet man sich in wechselnden Zeitebenen und nimmt an den unterschiedlichsten Gegebenheiten teilt. Gerade diese Schilderungen einzelner Schicksale lassen die Familiensaga authentisch wirken. Obwohl die Autorin sehr dicht und auch gefühlvoll erzählt, empfindet man weder die Rahmenhandlung noch die einzelnen Gegebenheiten kitschig. Das mag zusätzlich am Facettenreichtum liegen. Im Grunde handelt es sich um Geschichten aus dem Alltag, gepaart mit dem Zeitgeist der jeweiligen Epoche. Es gelingt der Autorin, die Spannung kontinuierlich zu halten und dafür braucht sie keine langen, verschachtelten Sätze. Manchmal ist weniger mehr.
Fazit
Judith W. Taschler hat hier ein Familienepos geschrieben, in den man sich mit jeder Seite, die man liest, hineinversetzen kann und aktiv lesend teilnimmt. Die Geschichten, Erlebnisse und Schicksale der Menschen dreier Generationen packen von Beginn an. Ein Lesegenuss!
Deine Meinung zu »Über Carl reden wir morgen«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!