Ich verzeihe nicht

  • btb
  • Erschienen: Mai 2023
  • 0
Ich verzeihe nicht
Ich verzeihe nicht
Wertung wird geladen
Carola Krauße-Reim
751001

Belletristik-Couch Rezension vonJul 2023

Ein schmerzvolles Zurück in die Vergangenheit

Die schwedische Autorin und Journalistin Elisabeth Åsbrink behandelt in ihren preisgekrönten Romanen meist die Zeit des 2. Weltkrieges oder ihre Auswirkungen. Wie schon in „Und im Wienerwald stehen noch immer die Bäume: Ein jüdisches Schicksal in Schweden“ widmet sie sich nun abermals dem Schicksal einer jüdisch-stämmigen Familie, wobei sie in „Ich verzeihe nicht“ autobiografisch wird und auf den Spuren ihrer eigenen Familien-Vergangenheit wandelt.

Drei Frauen und ihre geerbte Einsamkeit

Åsbrink entwirft einen Dreigenerationen-Roman: Großmutter Rita, Mutter Sally und Tochter Katherine. Alle haben mit Antisemitismus zu kämpfen, obwohl alle drei keine Jüdinnen sind. Sallys Vater ist ein Jude aus Saloniki in Griechenland, sie hat seine dunkle Haut geerbt und wird deshalb zum Hassobjekt in London während des 2. Weltkrieges. Rita erlebt die Propaganda des britischen Naziführers Oswald Mosley hautnah und kommt dennoch ihrer Tochter nicht zu Hilfe. Die kann ihr das nicht verzeihen und beide enden in einer Einsamkeit und Verlassenheit, die sie nie überwinden können und an Katherine vererben. Die fühlt die Distanz der Mutter und kann sie zunächst nicht einordnen. Erst als sie sich auf Spurensuche nach Thessaloniki, dem einstigen Saloniki begibt, wird ihr so manches klar – vor allem, dass es Antisemitismus schon immer gab und er immer wieder das friedliche Zusammenleben von Juden und Nicht-Juden bedrängen wird.

Ein unglücklich gewählter Stil

Die Geschichte hat unglaubliches Potential. Vor allem, weil nicht der schon so oft literarisch behandelte Antisemitismus in Deutschland im Mittelpunkt steht, sondern der in England und Griechenland. Dass es rassistisches Denken gegenüber Juden auch in anderen Ländern gab und gibt, ist bekannt, doch Åsbrink thematisiert es deutlich ausgesprochen in einem Familienroman. Die Auswirkung auf direkt Betroffene und vor allem auch auf ihre Nachkommen wird durch die emotionale Distanz und Sprachlosigkeit gezeigt, der die Familienmitglieder verfallen. Doch die Autorin schreibt keinen Familienroman im herkömmlichen Sinn, sondern eher einen Bericht. Fast ohne wörtliche Rede und ohne die Emotionen der Figuren deutlich zu zeigen, lässt sie die Leserschaft nur von außen das Ganze betrachten. Selbst als Katherine sich in Thessaloniki auf Spurensuche macht, wird das relativ emotionslos und distanziert beschrieben. Das macht die Lektüre schwierig und oft auch ziemlich langatmig. Gerade wenn Großmutter Ritas Alltag in fast schon epischer Breite dargelegt wird, sie dabei immer wieder an eine noch unbenannte und unverzeihliche Tat ihrerseits denkt und ständig ihre gestrige Heirat bejammert, wird von der Leserschaft sehr viel Durchhaltevermögen gefordert. Ein eingängiger Stil, der vielleicht narrativer wäre und mit Dialogen arbeiten würde, hätte das Thema eventuell besser transportieren können.

Fazit

Elisabeth Åsbrinks autobiografisch orientierter Familienroman zeigt, welche emotionalen Verletzungen und Langzeitfolgen Hass mit sich bringen kann. Die nicht ganz einfache Lektüre macht den scheinbar globalen und zeitlosen Antisemitismus deutlich und ist damit ein weiteres Werk gegen das Vergessen und für mehr Zivilcourage.

Ich verzeihe nicht

Elisabeth Asbrink, btb

Ich verzeihe nicht

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Ich verzeihe nicht«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Film & Kino:
The Crown - Staffel 3

Die Queen in ihrer vordergründig repräsentativen Rolle ist eine zeitgeschichtliche Ikone, sodass der Erfolg der seit 2016 bei Netflix laufenden Serie „The Crown“ nicht verwundert. Die dritte Staffel markiert allerdings einen Umbruch: Die Royal Family ist in den 60er-Jahren angekommen und viele Rollen werden neu besetzt, da auch die Blaublüter nicht vor dem Altern gefeit sind. Titel-Motiv: © Des Willie / Netflix

zur Film-Kritik