Hier fehlt die Würze
Hisashi Kashiwai ist Leiter einer Zahnklinik in Kyõto, doch in seiner Freizeit schreibt er. Mit „Das Restaurant der verlorenen Rezepte“ hat er einen viel beachteten Roman verfasst, der nicht nur in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde. In Japan war das Buch so erfolgreich, dass daraus eine ganze Reihe entstand, die mittlerweile sogar verfilmt wurde.
Essen ist mehr als Nahrungsaufnahme
In Kyõto gibt es ein verstecktes und kaum wahrnehmbares Restaurant. Doch wer es sucht, findet es – das Kamogawa Shokundõ. Hier bewirten Herr Nagare und seine Tochter Koishi nicht nur ihre Gäste, sie führen auch eine Detektei für verlorene Rezepte. Immer wieder kommen Menschen zu ihnen, die nach einem Gericht suchen, das ihnen viel bedeutet, dessen Rezept sie aber nicht kennen. Dies kann die „Nabeyaki Udon“ der verstorbenen Ehefrau sein, das „Nikujaga“ der geliebten Mutter oder sogar die „Spaghetti Napolitan“ des inzwischen dementen Großvaters. Nagare und Koishi tun alles, um das Rezept zu finden, um dem suchenden Gast das Gericht mit allen seinen Aromen so zu präsentieren, wie er es kennt. Dabei wird offensichtlich, dass essen nicht nur Nahrungsaufnahme ist, sondern sehr viel mit Psychologie zu tun haben kann.
Eine gute Idee weniger gut umgesetzt
Wenn man die Kurzbeschreibung des Romans liest, erhofft man sich eine Geschichte, die ebenso spannend wie einfühlsam erzählt ist. Das ist aber leider nur zum Teil so. Gleich zu Beginn stellt man fest, dass es eigentlich kein Roman im Sinne einer durchgängigen Geschichte ist, sondern eine Sammlung von Kurzgeschichten. In sechs Episoden suchen Herr Nagare und Tochter Koishi nach Rezepten, die ihren Gästen viel bedeuten. Dabei ist der Aufbau jedes einzelnen Kapitels immer gleich, selbst der Inhalt wird teilweise mit denselben Worten wiedergegeben. Das macht lediglich das erste Kapitel interessant, schon beim zweiten findet man den gleichen Ablauf und ist ernüchtert und enttäuscht. Der psychologische Aspekt für die Suchenden wird zwar einfühlsam beschrieben, steht aber auch zu sehr im Mittelpunkt. Die Ermittlungen der Detektei werden nur angerissen und die Suche nach den Rezepten mit lediglich wenigen Sätzen abgebügelt. Spannung kommt hier wirklich nicht auf.
Zutaten und Geschirr
Jedes Kapitel besteht aus drei Teilen: Dem Gast wird ein Gericht serviert und er vergibt seinen Auftrag an die Detektei; das Gericht wird gekocht und dem Gast präsentiert; und zum Schluss ein kurzes Gespräch zwischen Vater und Tochter. In allen diesen Teilen nehmen die Zutaten der gereichten Speisen den größten Raum ein. In scheinbar unendlich langen Erklärungen geht der Autor auf wahrlich alle Details ein. Es ist zwar erstaunlich, was alles auf den Tellern oder in den Boxen landet, doch das kann wohl nur für Genießer der japanischen Küche wirklich interessant sein. Genauso wie die stets erwähnte Dekoration oder die Präsentation der Gerichte, die jedes Mal auf einem anderen Porzellan gereicht werden oder in einer ganz besonderen Schüssel auf den Tisch kommen. Dem Autor scheinen diese Details wichtiger zu sein, als die Suche nach den Rezepten, denn die erwähnt er nur wirklich sehr am Rande. Jedoch ist damit natürlich auch ein Blick in die japanische Essenskultur und die Gesellschaft überhaupt möglich, wobei man sich allerdings mit vielen japanischen Begriffen anfreunden muss.
Eine kleine Korrektur
Auf dem Cover ist zu lesen: „Nagare und seine zwanzigjährige Tochter Koishi ...“. Leider ist dem Verlag da ein kleiner Fehler unterlaufen, denn, wie Koishi sagt von sich selbst: „Die dreißig habe ich längst überschritten“ (S. 113) und „Für Frauen um die dreißig wie mich ...“ (S. 228). Vielleicht könnte der Verlag hier eine kleine Korrektur vornehmen, damit die Zusammenfassung auf dem ansonsten wirklich schön gestalteten Cover wieder stimmt.
Fazit
Ein Episodenroman, der wohl nur Liebhaber der japanischen Küche wirklich begeistern dürfte. Die Gerichte werden in allen Einzelheiten bis hin zum eingesetzten Geschirr erwähnt, die Suche nach den Rezepten dagegen aber nur mit wenigen Sätzen. Spannung sucht man hier vergebens, jedoch wird einmal mehr klar, dass mit Essen viele Emotionen und Erinnerungen verbunden sein können.
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