Ich hätte da ein paar Fragen an Sie

  • Eisele
  • Erschienen: September 2023
  • 0
Ich hätte da ein paar Fragen an Sie
Ich hätte da ein paar Fragen an Sie
Wertung wird geladen
Carola Krauße-Reim
851001

Belletristik-Couch Rezension vonOkt 2023

Was geschah vor 20 Jahren im Nobel-Internat?

Die 45-jährige US-Amerikanerin Rebecca Makkai hat spätestens mit ihrem dritten erschienenen Buch „Die Optimisten“ bewiesen, dass Sie zu den renommiertesten Stimmen der Gegenwartsliteratur zählt. Im vorliegenden Buch befasst sie sich vordergründig mit einem Cold Case, thematisiert aber in der Tiefe der Geschichte aktuelle sozialkritische Themen.

Bodie stellt Fragen

Bodie Kane betreibt sehr erfolgreich einen True-Crime-Podcast. Was aber fast niemand weiß, in ihrem Abschlussjahr am renommierten Granby College wurde ihre Zimmergenossin Thalia Keith ermordet. Zwar wurde der junge und schwarze Sportlehrer dafür zu einer 60-jährigen Freiheitsstrafe verurteilt, doch Bodie hat Zweifel. Jetzt nach 20 Jahren kehrt sie ans Granby College zurück um einen Kurs zu geben und nutzt die Gelegenheit, um ihre Zweifel zu streuen und erneutes Interesse an dem Fall zu wecken.

Mehr als ein Campus-Krimi 

Rebecca Makkai wohnt auf dem Gelände des Internats, das sie als Tagesschülerin besuchte. Diese Umgebung und ihre Erfahrungen inspirierten sie zu einem Buch, das aber viel mehr als ein Campus-Krimi wurde. Vordergründig sucht Bodie Antworten auf Fragen zu Thalias Tod und somit auch eventuelle Entlastungsbeweise für den verurteilten Sportlehrer Omar Evans. Doch eingestrickt in diese Handlung rechnet sie mit der Zeit im College ab. Für Bodie waren die vier Jahre der blanke Horror. Sie gehörte nicht zur Upperclass der US-Gesellschaft oder zu den wohlhabenden Auslandsstudenten. Sie wurde gemobbt und sexuell belästigt, hatte fast keine Freundinnen und war heilfroh als die Zeit vorbei war, auch wenn sie sehr dramatisch endete. Makkai geht mit Bodies Lebensgeschichte unterschwellig auf soziale Themen ein, die von sexueller Belästigung und Gewalt über Rassismus bis hin zu längst veraltetem Klassendenken reicht. Immer wieder muss man auf eine weitere Enthüllung gefasst sein, die einem erst einmal den Atem stocken lässt. Manchmal bringen diese Enthüllungen eine überraschende Wendung im Fall Thalia, manchmal beschreiben sie nur eine weitere Grausamkeit der Collegekids. Dieses Konglomerat aus Krimi und Sozialkritik ist anfangs extrem spannend, schwächelt im Mittelteil allerdings etwas, nimmt zum Ende hin aber wieder gehörig an Fahrt auf. Der Schluss ist packend in jeder Beziehung, lässt aber auch sehr viel Raum für eigene Interpretationen und Schlussfolgerungen.

Ein etwas gewöhnungsbedürftiger Stil

Man braucht eine ganze Weile, bis man sich an den etwas ungewöhnlichen Stil der Autorin gewöhnt hat. Bodie Kane erzählt alles aus ihrer Sicht. Das beschränkt natürlich auch das Gesichtsfeld und das Wissen der Leserschaft. Wir erfahren nur das, was Bodie weiß oder uns wissen lassen will und das alles aus ihrem Blickwinkel. Ansichten von außerhalb dieses Feldes werden lediglich durch Äußerungen oder Handlungen anderer erfahrbar. Das macht die Geschichte zu einer sehr persönlichen Angelegenheit und zu einer packenden Abrechnung. Doch erschwerend kommt hinzu, dass Bodie oft das Wort direkt an ihren ehemaligen Musikdozenten Bloch richtet, der für sie als eigentlicher Mörder von Thalia durchaus in Betracht kommt. Dabei erwähnt sie Details, die man sich als Leser erst schrittweise erarbeiten muss, für Bodie aber natürlich bekannt sind. Wenn sie dann Szenarien durchspielt, die jeden möglichen Verdächtigen (inklusive ihr selbst) als Mörder dastehen lassen, ist man als Leser erst einmal völlig verwirrt. Gleichzeitig wird aber dadurch aber auch viel Spannung erzeugt. Hat man sich aber an diesen eigenwilligen Stil gewöhnt, wird man mit einem spannenden Cold-Case und vor allem mit dem „Psychogramm einer Frau, die mit ihrer Vergangenheit abrechnet“, wie es das Cover verspricht, belohnt.

Fazit

Eine gelungene Mischung aus Krimi und sozialkritischem Gesellschaftsroman! In gewöhnungsbedürftigem aber interessantem Stil befasst sich Rebecca Makkai mit der snobistischen College-Kultur in den USA und würzt das Ganze mit einem mysteriösen Cold-Case. Ein Roman, der sowohl Krimifans als auch eine Leserschaft, die gerne tiefgründige Geschichten liest, begeistern kann.

Ich hätte da ein paar Fragen an Sie

Rebecca Makkai, Eisele

Ich hätte da ein paar Fragen an Sie

Ähnliche Bücher:

Deine Meinung zu »Ich hätte da ein paar Fragen an Sie«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Film & Kino:
The Crown - Staffel 3

Die Queen in ihrer vordergründig repräsentativen Rolle ist eine zeitgeschichtliche Ikone, sodass der Erfolg der seit 2016 bei Netflix laufenden Serie „The Crown“ nicht verwundert. Die dritte Staffel markiert allerdings einen Umbruch: Die Royal Family ist in den 60er-Jahren angekommen und viele Rollen werden neu besetzt, da auch die Blaublüter nicht vor dem Altern gefeit sind. Titel-Motiv: © Des Willie / Netflix

zur Film-Kritik