Frauen und ihre Stellung im 19. Jahrhundert.
Über die Umstände, die zum Tod von Adele Schopenhauers Vater führten, wird geschwiegen. Nur ihr Bruder, Arthur, kann nicht den Mund halten und lässt die Mutter seinen Unmut immer wieder spüren. Als diese sich entschließt, von Hamburg nach Weimar umzuziehen, verweigert sich der Sohn. Arthur verfügt als Mann über sein eigenes Rechtsempfinden und möchte an Vaters Stelle über die Frauen im Haus bestimmen. Allerdings hat er die Rechnung ohne seine Mutter gemacht.
Über alle Konventionen hinweg
Johanna Schopenhauer will endlich ein Leben in Unabhängigkeit führen. Die Umsiedlung nach Weimar ist ein erster Schritt. Als Witwe kann sie erst einmal, ohne die allgemein gültigen Konventionen zu verletzen, allein mit ihrer Tochter ein Haus bewohnen. Sie beginnt sofort, einen kleinen literarischen Zirkel aufzubauen und sich einen Freundes- und Bekanntenkreis zu schaffen. In jedem Augenblick ist sie sich jedoch bewusst, dass sie ohne Geld auch keinen gesellschaftlichen Wert und keinen Einfluss besitzt. Auf ihre eigene Art und Weise unterläuft sie jegliche Konventionen und kämpft für ihre Unabhängigkeit. Für ihre Tochter zieht sie dennoch das althergebrachte Rollenbild vor und will sie gut verheiratet wissen. Adele, ganz die Tochter ihrer Mutter, hält davon jedoch wenig. Je älter sie wird, umso mehr sperrt sie sich gegen das ihr auferlegte Rollenbild.
„Obwohl volljährig, würde sie mit der Heirat wieder unmündig werden, jemandes Besitz. Sie gäbe alle Freiheiten auf und schlüge einen Weg ein, auf dem für Träume kein Platz mehr wäre.“
Frauen und ihre Möglichkeiten im 19. Jahrhundert
Der Gesellschaftsroman von Lucca Müller thematisiert in erster Linie das Leben und die Stellung der Frauen innerhalb einer von Männern dominierten Welt. Die Rolle der Frau ist klar definiert als gute und angepasste Ehefrau und Mutter. Selbständiges Denken und Handeln sind nicht vorgesehen. Ein eigenständiges Leben unmöglich.
Mit ihrem einnehmenden Schreibstil gelingt der Autorin ein anschauliches und nachvollziehbares Bild dieser Zeit. Anhand von Johanna und Adele Schopenhauer zeigt sie, wie die Frauen sich dennoch sehr wohl zu helfen wussten. Allerdings gilt dies in erster Linie für die gut Betuchten, die Wohlhabenden. Wie es bei der armen Bevölkerung aussah, lässt sich nur erahnen. Auf sie wird im Roman nur vage eingegangen.
„Du kennst die Welt nicht, Kind. Wer arm ist, hat keine Freunde. Geld ist Ansehen, Einfluss, Freiheit.“
In die Geschichte rund um Adele, ihre Familie und ihren Freundeskreis hat Lucca Müller auch einen Teil von Goethes Leben in Weimar miteingewoben. Nur am Rande spielt der berühmte Sohn und Bruder Arthur eine Rolle. Außerdem finden weitere berühmte Persönlichkeit dieser Epoche Eingang in die Erzählung und runden das Gesamtbild ab.
Fazit
Lucca Müller ist mit diesem Roman ein feinsinniges und eindrückliches Bild vom Leben der wohlhabenden Frauen im 19. Jahrhundert gelungen. Ein Roman, der die Stellung der Frauen in der Gesellschaft ausführlich beleuchtet und im Hintergrund gleichzeitig interessante Details vermittelt.
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