Unsere Liebe war unerhört

Unsere Liebe war unerhört
Unsere Liebe war unerhört
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Monika Wenger
771001

Belletristik-Couch Rezension vonSep 2024

Ohne Grund, aber mit großer Lust, andere zu quälen

Jonathan, der Sohn von Marga und Henryk wird in seiner Studentenwohnung in Passau überfallen. Kurz zuvor wurde ihm sein Auto gestohlen. Obwohl Jonathan Anzeige erstattet, unternimmt die Polizei nichts. Dieses Nichtstun, diese Verweigerung führt unwillkürlich zurück in die Vergangenheit, zurück ins Jahr 1945.

Das gehört sich nicht

Jonathans Mutter Marga arbeitet auf dem nahegelegenen Fliegerhorst. Jeden Tag fährt sie am Gefangenenlager vorbei. Die Menschen dort sind nur noch Schatten ihrer selbst. Marga empfindet tiefstes Mitleid mit ihnen. Ein Mann fällt ihr besonders auf: Er sitzt immer auf einem der wenigen grünen Flecken. Gesondert, allein. Später, nach der Ankunft der amerikanischen Soldaten und der Umwandlung des Lagers in ein Lager für „Displaced Persons“ begegnet Marga diesem Mann wieder. Die Gefangenschaft ist ihm immer noch anzusehen. Doch Marga verliebt sich in ihn. Dass Henryk Jude ist, spielt für sie keine Rolle. Für das kleine Dorf Mairing ist es jedoch ein Skandal. Aber Marga und Henryk stehen zu ihrer Liebe und setzen sich gegen alle Widerstände durch. Dass ihre Verbindung Folgen bis in die Gegenwart haben würde, hätten sie nie gedacht. Auswirkungen, die auch ihr Sohn Jonathan zu spüren bekommt.

Traumatische Erlebnisse

Die Geschichte von Marga und Henryk berührt, auch wenn Eva Müller keine totale Nähe zu ihren Figuren zulässt. Dennoch ist es bewegend zu sehen, wie sich das Paar lange Zeit über Konventionen hinwegsetzt. Und wie sie später, auch als Ehepaar, doch nicht dazugehören. Die Erzählstruktur ist so angelegt, dass Henryks traumatische Vergangenheit erst nach und nach zum Vorschein kommt. Immer wieder ergänzen Rückblenden das Geschehen und erklären Henryks Eigenheiten. Bildhaft beschreibt die Autorin diese schreckliche Zeit und ihre Auswirkungen auf die Betroffenen. Dabei bedient sie sich einem eher sachlichen Schreibstil. Dennoch behalten die Schreckensszenarien ihre Ausdruckskraft.

Sie hatte tatsächlich geglaubt, das Unrecht hätte mit der Befreiung von den Nationalsozialisten sein Ende gefunden, und alles könnte wieder werden wie früher. Wie naiv sie gewesen war! Denn wenn ein Serienmord an Babys derart schnell abgehandelt wurde, weil niemand ihrer braven katholischen Mitbürger ein Problem damit zu haben schien – war das nicht das Ende jeder Hoffnung?

Der Roman beginnt und endet in der Gegenwart mit Margas und Henryks Sohn Jonathan. Obwohl damit bereits von Anfang an klar ist, dass die Liebesgeschichte der beiden weitergeht, passt dieser Teil nicht so recht in die Erzählung. Er wirkt irgendwie unpassend und fremd. Dabei sollte er doch zeigen, dass sich an den Einstellungen mancher Menschen bis heute nichts geändert hat.

Eva Müller weist im Nachwort darauf hin, dass sie sich an die wahre Geschichte der Personen gehalten hat – soweit ihr dies möglich war.

 „Nur weil der Krieg vorbei war, hatte sich in den Köpfen der Menschen ihre über viele Jahre indoktrinierte Weltsicht nicht über Nacht geändert.“

Fazit

Die Geschichte einer aussergewöhnlichen Liebe, die trotz aller Widerstände Bestand hatte. Davon erzählt Eva Müller in ihrem Roman. Und davon, dass sich manche Dinge wohl nie ändern.

Unsere Liebe war unerhört

Eva Müller, Penguin

Unsere Liebe war unerhört

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