Das etwas andere Familienepos.
Maggie O‘Farrell wurde 1972 in Nordirland geboren, wuchs aber in Großbritannien auf. Die Journalistin veröffentlichte 2000 ihren Debütroman „Seit du fort bist“ und begeisterte gleich ein großes internationales Publikum. Ihre Werke befassen sich immer mit der Komplexität von Beziehungen – zwischen Mann und Frau und Eltern und ihren Kindern. Maggie O‘Farrell ist eine der bedeutendsten irisch-britischen Schriftstellerinnen, ihre Bücher wurden für zahlreiche Preise nominiert und teilweise auch ausgezeichnet.
Claudette und Daniel
Durch Zufall lernt Daniel Claudette kennen. Nach der Scheidung und angesichts der Tatsache, dass seine Ex-Frau ihm seinen Sohn und seine Tochter vorenthält, ist Daniel frustriert und auch wütend. Aber eigentlich kommt er nur deshalb aus Amerika nach Nordirland, um die Asche seines vor langer Zeit verstorbenen Großvaters abzuholen. Doch dann trifft er Claudette und ihren kleinen Sohn Ari und es wird alles anders. Er bleibt, heiratet Claudette und sie bekommen zwei weitere Kinder. Aber was auch nach Jahren noch harmonisch erscheint, wird 2010 erschüttert. Daniel wird von seiner Vergangenheit eingeholt und Claudette stellt alles bisher Gewesene in Frage. Und das, obwohl auch sie selbst ein gut gehütetes Geheimnis hat.
Ein begeisternder Plot
Was sich wie eine Familiengeschichte mit wenig Tiefgang anhört, ist tatsächlich ein Epos, das sowohl inhaltlich als auch stilistisch begeistert. Maggie O‘Farrell erzählt die Geschichte nicht chronologisch, sondern springt wild durch die Zeit, lässt jedes Kapitel in unterschiedlichen Jahren spielen und nimmt jedes Mal eine andere Hauptfigur in den Fokus. Das verlangt viel Aufmerksamkeit über immerhin mehr als 500 Seiten, doch macht es den ohnehin spannenden Plot noch interessanter. Die unterschiedlichen Phasen der Protagonisten, die Beziehung des Paares und das Zusammenspiel als Patchwork-Familie birgt Dramen und Hoffnungen. Enttäuschungen wechseln sich mit schönen Zeiten ab und alle hinterlassen ihre Spuren. Das alles hat die Autorin stilistisch meisterhaft umgesetzt. Sprachlich ausgefeilt, spielt sie gekonnt mit Emotionen und fesselt an die Geschichte von Claudette und Daniel und an ihre Ehe, die immer auf tönernen Füßen steht. Nur manchmal scheint auch O‘Farrell den Überblick etwas verloren zu haben und verwechselt Personen oder kündigt einen Unfall an, der sich später dann als brutaler Kopfschuss entpuppt.
Eine gekonnte Figurenzeichnung
Familienromane leben von ihren Figuren, die daher so angelegt sein müssen, dass sie die Geschichte auch tragen. Das ist hier mit Sicherheit der Fall! Die Autorin lässt mit Daniel und Claudette zwei Personen aufeinander prallen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Zwar sind beide für sich allein schon starke Charaktere, doch sie gehen sehr unterschiedlich mit Herausforderungen um. Während Daniel schnell abrutscht und den Boden unter den Füßen verliert, ist Claudette willensstark und sehr autonom. Doch diese Eigenschaften kristallisieren sich erst im Laufe der Handlung heraus. Am Anfang stehen ein gebeutelter Linguist und eine Frau, die ein großes Geheimnis hat. Am Ende, viele Jahre später hat man es mit einem Mann zu tun, der durch die Hölle gegangen ist, weil seine Vergangenheit auf einmal neu geschrieben werden musste und eine Frau, die Einsamkeit kennen lernt. Doch O‘Farrell nimmt sich auch sehr detailliert der Nebenfiguren an, bindet sie in die Beziehung zu Daniel und Claudette ein und zeigt auf diesen Schienen andere Probleme und Hoffnungen, die manchmal zerschlagen werden und manchmal aber auch eintreffen. „Hier muss es sein“ zeigt einfach das wahre Leben, wie es spielen kann.
Fazit
Ein ganz großer Familienroman! „Hier muss es sein“ überzeugt sowohl inhaltlich als auch stilistisch, verlangt aber daher auch viel Aufmerksamkeit beim Lesen. Die emotionale Geschichte von Daniel und Claudette hat eine uneingeschränkte Leseempfehlung vollkommen verdient!
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