Das Lächeln der Königin
- Galiani Berlin
- Erschienen: Februar 2024
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Der Mäzen, der Ausgräber und die Königin.
1924 wurde die berühmte Büste der Nofretete zum ersten Mal der staunenden Öffentlichkeit präsentiert. Doch was viele nicht wissen – ausgegraben wurde sie bereits 1912 und in die Hauptstadt ist sie schon 1913 gekommen. Bis zu ihrer Aufstellung im Neuen Museum fristete sie ein Dasein im Archiv, weil ihr Ausgräber, Ludwig Borchardt, zur Vorsicht mahnte. Tat er das, weil die Fundteilung in Amarna nicht ganz korrekt verlief? Diese Frage wird sich auch heute wieder gestellt und damit nach einem legalen Verbleib der Büste in Deutschland gefragt. Ist eines der Aushängeschilder der Museumsinsel Raubkunst? Die Vorgeschichte zu dieser Frage wird im Buch von Stefanie Gerhold erzählt.
„Nefer neferu Aton Neferet iti“ – „Schön ist die Schönheit des Aton, die Schöne ist gekommen“
Der reiche Textilunternehmer James Simon ist an Kunst genauso interessiert wie an der Archäologie. Seine finanzielle Förderung ermöglicht es Ludwig Borchardt die Stadt Achetaton, das heutige Tell el Amarna, auszugraben. Im Dezember 1912 macht er einen sensationellen Fund – die sehr gut erhaltene Kalksteinbüste einer wunderschönen Königin. Borchardt weiß sofort um die Einmaligkeit dieses Artefakts. Doch das Gesetz sieht eine Fundteilung zwischen Ägypten und dem Land des Grabungslizensinhabers vor und die Hoffnung, die Königin zu bekommen, ist gering. Aber Borchardt schafft das fast Unglaubliche und kann die Büste nach Berlin bringen lassen. Eine Ausstellung im Museum gibt es dennoch nicht.
Der erste Weltkrieg bringt die Welt ins Straucheln. Die Ausgrabungen in Ägypten liegen brach, die deutschen Wissenschaftler werden geächtet oder fallen im Krieg. Auch James Simon muss mit großen Problemen kämpfen, sein Reichtum schwindet dahin. Erst als es keinen Ausweg mehr gibt, wandelt er 1920 seine Dauerleihgaben in eine Schenkung an das Neue Museum in Berlin um – jetzt liegt die Verantwortung für die Büste beim Museum. „Nefer neferu Aton Neferet iti“ oder kurz „Nofretete“ bricht einen Streit zwischen Frankreich, Ägypten und Deutschland los, denn die lange Zeit im Archiv nährt den Verdacht von Betrug bei der Fundteilung. Ludwig Borchardt wird zum Ausgestoßenen und James Simon, mittlerweile seiner finanziellen Mittel beraubt, kann ihm keine Stütze mehr sein.
Mehr als nur ein Archäologie-Roman
Stefanie Gerhold nimmt das Jubiläum zum 100-jährigen Ausstellungsbeginn der Nofretete zum Anlass einen Archäologie-Roman vorzulegen, der aber zeitgleich viel mehr ist. Die Geschichte rund um die Ausgrabung und den Verbleib der Kalksteinbüste ist gleichzeitig ein Porträt der damaligen Zeit. Sowohl Simon als auch Borchardt waren Juden, was sowohl die Gesellschaft als auch die Wissenschaft sie nie vergessen ließen. Schon vor dem 1. Weltkrieg war der Antisemitismus weit verbreitet und danach erst recht. Während Simon immer noch als Gönner vieler sozialer Einrichtungen und Museen halbwegs verschont blieb, musste vor allem Borchardt mit Repressionen umgehen. Sehr anschaulich beschreibt Gerhold den wissenschaftlichen Betrieb mit Neidern unter den Ausgräbern und Gelehrten und auch das Problem mit dem Antikendienst in Ägypten.
Die Kolonialmächte Großbritannien und Frankreich beanspruchten beide die Vormacht, jedoch nur Frankreich hatte das Sagen, doch Großbritannien nutzte jede Gelegenheit Einfluss zu nehmen. Aber die Missgunst zog auch in Berlin unter den archäologisch-orientierten Vereinen und den Museumsdirektoren weite Kreise, was nicht immer der Sache dienlich war. Daneben lässt die Autorin die Person James Simon zu einem Protagonisten werden, der neben dem Mäzen auch Unternehmer, Ehemann und Familienvater ist. Er ist der Mittelpunkt, der Pol um den die ganze Handlung kreist. Die fiktiven Teile der Geschichte passen sich übergangslos an die realen an. Wir lernen Simon als einen Mann kennen, der sich erst widerstandslos Konventionen beugt, dann aber immer mehr sein eigenes Dilemma erkennt. Doch ausbrechen kann er nicht – nur kompensieren.
Wohl kein Roman für alle Geschmäcker
Die Protagonisten der Geschichte sind Simon und Borchardt und ihre gemeinsame Passion für das Alte Ägypten. Diese sollte auch die Leserschaft besitzen oder zumindest an Kunst und Geschichte interessiert sein, denn Gerhold geht teilweise sehr ins Detail. Immer wieder werden archäologische Probleme angesprochen, die Außenstehende vielleicht weniger spannend finden. Die Büste der Königin steht dabei weniger im Mittelpunkt als man aufgrund des Titels vermuten könnte. Gerhold holt eher zu einem Rundumschlag aus, gesellschaftlich als auch wissenschaftlich, und packt zudem die Familiengeschichten von Borchardt und Simon noch obendrauf. Das ist sehr spannend und packend, wenn man sich für diese Themen interessiert, falls aber nicht, dürfte „Das Lächeln der Königin“ schnell ziemlich ermüdend werden.
Fazit
Tauchen Sie ein in die Ägyptologie und die packende Geschichte um den Fund der weltberühmten Büste von Königin Nofretete! Stefanie Gerhold lässt die Gesellschaft und Wissenschaft zur damaligen Zeit auferstehen und zeichnet in ihrem Debütroman damit nicht nur die Fundgeschichte eines der bekanntesten altägyptischen Artefakte nach, sondern gleich ein ganzes Gesellschaftsporträt. Aber man sollte Interesse an Ägyptologie oder Kunst mitbringen, damit „Das Lächeln der Königin“ wirklich ankommt.
Stefanie Gerhold, Galiani Berlin
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