Keine Wendung kann schlecht sein – zu viele aber auch.
1945 sind die Niederlande endlich von den Nazis befreit. Die junge Reporterin Meg soll sich nun mit Kochrezepten und Kaffee servieren zufriedengeben, obwohl sie im Krieg mutig für eine Untergrundzeitung geschrieben hat. Doch Meg will mehr. Da kommt ihr die Frage nach den ursprünglichen Besitzern eines Gemäldes von Vermeer gerade recht. Dem Maler Jan van Aelst wird vorgeworfen „Christus und die Ehebrecherin“ an Hermann Göring verkauft zu haben, will aber seine Auftraggeber, eine jüdische Familie, nicht nennen. Van Aelst besteht darauf, die Nazis betrogen zu haben. Ein Labyrinth aus Lügen, Wahrheit und Täuschung tut sich auf, das neben Meg auch Kapitein Rosendahl von der Polizei beschäftigt.
Nach einer wahren Begebenheit
Was man des Öfteren von Filmen behauptet, trifft auch auf dieses Buch zu. Patrick van Odijk hat sich in seinem Debüt des Falls Han van Meegeren angenommen, der als „der Gauner, der Hermann Göring betrog“ bekannt ist. Jan van Aelst ist genau nach diesem Vorbild gestrickt: Ein von sich sehr überzeugter Maler, der aber nur wenig Anerkennung für seine konservativen Gemälde erhält. Seine Genialität stellt er unter Beweis, in dem er Fälschungen von bester Qualität anfertigt, die anerkannte Kritiker und Gutachter für echt halten und, die in Museen und bei namhaften Sammlern landen. Van Odijk hat das alles noch ein wenig ausgeschmückt, die resolute Reporterin Meg und den jüdischen Kapitein hinzugefügt und herausgekommen ist eine Geschichte, die spannend hätte sein können – es aber nur manchmal ist.
Die Atmosphäre trägt das Geschehen
Während in anderen Romanen die Figuren das Geschehen tragen, ist es hier die Atmosphäre. Die Stimmung unter der Bevölkerung und die wirtschaftlich sehr angespannte Lage kurz nach Kriegsende bestimmen das Leben in den gebeutelten Niederlanden. Das Misstrauen der Menschen gegen die „Falschen“ ist groß, der Hunger auch, denn die Versorgungslage ist prekär. Über diesen Grundtenor gelegt, ist die Geschichte um Jan van Aelst und Meg. Leider sind beide, wie auch der Kapitein, zu klischeehaft geraten, um wirklich als Figuren mit Charakter zu gelten. Meg ist draufgängerisch, etwas zu burschikos und trinkt alle unter den Tisch, während der Polizist Jude ist und an seiner Vergangenheit leidet. Van Aelst hingegen ist Opportunist, hochmütig und, wie es sich scheinbar für einen Künstler gehört, alkohol- und drogenabhängig. Keine dieser Figuren taugt zum Sympathieträger und keine schafft es wirklich an die Geschichte zu binden. Dennoch hätte die ganze Misere rund um Göring und das Bild durchaus packend sein können, doch leider hat van Odijk etwas zu viel gewollt. Und so stolpert man von einer Wendung in die nächste und weiß bald gar nicht mehr, was eigentlich Sache ist.
Einblicke in die Welt der Fälscher
Van Odijk legt den Focus auf drei Berufsgruppen: Den Journalismus, die Polizei und die ganze Welt der Kunst. Während gerade die Arbeit bei einer Zeitung nur aus Pauschalen, wie Zeitdruck, Konkurrenzkampf, gemeine Vorgesetzte und aufopferungsbereite Reporter besteht, ist der Einblick in die Kunstwelt besser geraten. Auch wenn hier ebenfalls so manches Klischee bedient wird, ist das Gesamtthema doch interessant und vielfältig dargestellt. Und die Frage, warum eine kaum als solche wahrzunehmende Fälschung weniger wert sein soll als das Original scheint vielleicht durchaus berechtigt.
Fazit
Ein großer Kunstskandal der Nachkriegszeit in einen Roman gepackt. Leider hat van Odijk nicht das ganze Potential dieser Geschichte genutzt. Die Spannung geht zwischen zu pauschal geratenen Figuren und zu vielen Wendungen verloren. Doch die Einblicke in die Welt der Kunst und das Leben in den Niederlanden kurz nach Kriegsende machen das ein wenig wett.
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