Was ihr uns versprochen habt

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Monika Wenger
781001

Belletristik-Couch Rezension vonNov 2024

Wenn die Hautfarbe das Leben bestimmt.

Kurz bevor die Schule nach den Sommerferien wieder beginnt, erlebt die dreizehnjährige Cinthy Kindred idyllische Tage. Gemeinsam mit ihrer Schwester Ezra und ihrer besten Freundin Ruby verbringt sie einen letzten Sommertag vor Schulbeginn. Für die Älteste der Kindred-Töchter und für Ruby wird es das letzte Schuljahr sein, und so versuchen sie, sich ihre Zukunft vorzustellen. Eine Zukunft, die unterschiedlich für die drei Mädchen aussehen wird.

Eben noch war alles gut

Die Kindreds sind eine von nur zwei schwarzen Familien in Salt Point. Cinthy und ihre zwei Jahre ältere Schwester Ezra wachsen liebevoll und behütet auf. Rubys Familie dagegen ist weiss und wird trotzdem von der Dorfgemeinschaft ausgegrenzt. Die Eltern kümmern sich überhaupt nicht um ihre Tochter. Der Vater ist Alkoholiker und meist nicht ansprechbar, Rubys Mutter trauert einem nicht gelebten Leben nach. Ein wenig Geborgenheit findet das Mädchen nur bei den Kindreds und vor allem bei ihrer Freundin Ezra.

«Jonah Reuben Scaggs schenkte Ruby Sterne, die ihre Haut grün und violett färbten. Von ihm konnte Ruby nicht lernen, was einen anständigen Mann ausmachte.»

In diesem Sommer des Jahres 1957 verändern sich nicht nur die Beziehungen zwischen den Mädchen. Die schrecklichen Nachrichten aus den Südstaaten scheinen Auswirkungen bis nach Salt Point zu haben. Die beiden schwarzen Familien, die Kindreds und die befreundeten Junketts, bekommen das immer stärker zu spüren.

«Er hatte Sorge, dass jemand im Dorf die Wahrheit ahnen würde, nämlich dass mein Vater und Mr Caesar sehr viel mehr über ihre Bürgerrechte wussten, als alle annahmen. Eisenhower hatten den Civil Rights Act von 1957 im September unterzeichnet. Durch die Nachwirkungen dieses Gesetzes bewegte sich die Nation am Rande des Abgrunds.»

Plötzlich werden sie als Bedrohung für die Weissen wahrgenommen. Das Verhalten der Dorfbewohner ändert sich. Die schwarzen Familien werden vorsichtiger, verhalten sich angepasst und verlassen abends nicht mehr das Haus.
Diese Abschottung belastet auch die Freundschaft zwischen Ezra und Ruby. Denn Ruby kann sich immer noch frei bewegen. Obwohl sie und ihre Eltern sich am Rande der Gesellschaft bewegen, hat sie als Weisse deutlich mehr Rechte.    

In die Seele gebrannt

Rachel Eliza Griffith lässt in ihrem Roman vor allem das Mädchen Cinthy ihre Geschichte erzählen. Im Gegensatz zu ihrer grossen Schwester ist sie noch sehr kindlich. Aber die geistigen Verbindungen zu ihren Ahnen und der schrecklichen Vergangenheit sind für sie viel deutlicher und intensiver spürbar. Aus dieser Perspektive kann die Autorin Stellung beziehen und bruchstückhaft die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung von 1957 erzählen. Allerdings kommt man diesem Teil der Erzählung nicht wirklich nahe. Vieles bleibt oberflächlich, wird nur angedeutet. Manche hilfreiche Erklärung fehlt sogar. Dafür gibt es Visionen, die Ereignisse lange vor Cinthys Geburt schildern. Ereignisse, die von brutalen Übergriffen auf Schwarze erzählen und sich in die Seelen der Nachfahren eingebrannt haben.

Griffith’ Sprache verändert sich mit dem Fortgang der Geschichte. Was ihr jedoch hervorragend gelingt, ist das Aufzeigen der drohenden Gefahr für die beiden Familien. Diese leise, zunächst nicht fassbare Angst vor dem, was kommt. Und das Verhalten einer Dorfgemeinschaft, die sich auf unerklärliche Weise bedroht fühlt und mit Vorurteilen und Hass reagiert. Es ist eine erschreckende Erkenntnis, wie schnell sich die Dinge ändern können.

«Ihre Eltern hatten ein Zuhause geschaffen, einen Traum in einer vollkommen entzündlichen Welt.»   

Fazit

Es ist die Geschichte von Ausgrenzung, von Hass und Gewalt im Amerika der 1950er Jahre. Aber es ist auch die Geschichte von Liebe, Kraft und Zuversicht, die die Menschen am Leben hält. Eine Lektüre, die Mut macht, aber auch sehr nachdenklich stimmt.

Was ihr uns versprochen habt

Rachel Eliza Griffiths, Penguin

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