Proleterka

Proleterka
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André C. Schmechta
781001

Belletristik-Couch Rezension vonOkt 2024

Schwermütige Familiengeschichte und beklemmender Coming-of-Age-Roman

In „Proleterka“ begleitet wir ein fünfzehnjähriges Mädchen und ihren Vater auf einer gemeinsamen Kreuzfahrt. Doch anstatt malerischer Urlaubseindrücke oder einer harmonischen Familienidylle entfaltet sich ein verstörendes emotionales Beziehungsgeflecht.

„Eine Bekanntschaft in vollkommener Fremdheit“

Das Covermotiv deutet bereits die Tonalität der Geschichte an. Die Atmosphäre des Romans ist im Kern ebenso farblos und kühl. Die schweizerische und italienischsprachige Autorin Fleur Jaeggy schildert eine Vater-Tochter-Beziehung, die an Bord des Kreuzfahrtschiffes als weitgehend wortloses Nebeneinander erscheint. Durch Rückblicke erfahren wir von zerrütteten Familienverhältnissen und einer Kindheit, die unter einer bestimmenden Mutter mehr von Einsamkeit als von Liebe und Geborgenheit geprägt war. Die Reise auf der „Proleterka“ markiert das letzte Mal, dass Vater und Tochter überhaupt Zeit miteinander verbringen. Bereits zu Beginn erfahren wir von dem Tod des Vaters. Doch auch unter diesen Vorzeichen werden beide sich eher weiter entfremden, als noch einmal anzunähern.

Fleur Jaeggy wechselt die Erzählperspektive der Tochter immer wieder zwischen Ich-Form und dritter Person, was der Erzählung einen eigenartigen Rhythmus verleiht – mal mit längeren, mal mit knappen, direkten Sätzen. Statt mit schwelgerischer Melancholie berührt uns Jaeggy durch unverblümte Klarheit. Ihre Momentaufnahmen lassen auch durch die Abgeklärtheit der Hauptfigur kaum Nähe zu. Häufig nur flüchtig können wir in die innere Leere und Einsamkeit abtauchen, die in den dunklen Gedanken, schmerzhaften Erinnerungen und Erfahrungen verborgen liegen.

Die oft schonungslose Sprache und die komprimierte Form auf gerade einmal knapp über 100 Seiten verleiht „Proleterka“ hingegen auch eine besondere Faszination. Sie zwingt uns, uns selbst mit den nicht ausformulierten Gefühlen und Zwischentönen auseinanderzusetzen. Doch gelegentlich gerät mir diese verdichtete Gefühls- und Gedankenwelt auch zu konstruiert bedeutungsschwer und macht sie doch wenig greifbar.

Fazit

„Proleterka“ ist sicherlich keine leichte aber eine ungewöhnliche Lektüre. Die Mischung aus schwermütiger Familiengeschichte und beklemmendem Coming-of-Age-Roman gerät auf der einen Seite dicht und intensiv, streckenweise emotional aufwühlend, vermag aber durch die bewusst aufgebaute Distanz dennoch nicht lange nachzuwirken.

Proleterka

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