Der Friedhofswärter
- Ars vivendi
- Erschienen: Mai 2024
- 2
Kann ein derart perfider Plan aufgehen?
Blowing Rock in North Carolina. Hier in diesem beschaulichen Ort arbeitet Blackburn Grant als Friedhofswärter. Als sein einziger Freund Jacob Hampton in den Koreakrieg eingezogen wird, soll sich nicht nur sein Leben verändern.
Dem Krieg entkommen und die Liebe verloren?
Jacob ist verheiratet, seine Frau Naomi erwartet ihr erstes Kind. Ganz zum Ärger von Jacobs Eltern, die sich von Anfang an gegen die Beziehung gestellt und beinahe den ganzen Ort gegen das Paar aufgebracht haben. Sie hatten andere Pläne, denen sich Jacob aber widersetzt und eigene Wege eingeschlagen hat. Entsprechend kann Jacob nicht auf familiäre Unterstützung rechnen, während er an die Front muss. Daher bittet er Blackburn ein Auge auf seine Familie zu haben.
Ron Rash beginnt seinen Roman mit den tragischen Ereignissen irgendwo an einem Fluss in Korea. Jacob wird während eines Wachdienstes angegriffen und schwer verletzt. Die Genesung weit von zuhause entfernt nimmt Zeit in Anspruch und er sehnt sich danach, wieder in die Heimat zu Frau und Kind zurückzukehren. Doch als zunächst die Nachricht des Militärs über die Verletzung ihres Mannes Naomi erreichen soll, treffen die Eltern von Jacob eine unglaubliche Entscheidung. Und die gemeinsame Zukunft der jungen Familie wird jäh zerstört.
Beinahe schlage ich beim Lesen die Hände über dem Kopf zusammen, als Jacobs Eltern nicht nur die Täuschung ihres Sohnes und seiner Frau in die Wege leiten – voller Überzeugung das Richtige zu tun. Ron Rash gelingt es, uns mit seiner feinfühligen und klaren Sprache sehr dicht an seine Figuren zu führen. Blackburn Grant ist dabei der facettenreichste und faszinierendste Charakter. Durch Polio körperlich, durch Ausgrenzung und Spott seelisch gezeichnet, ist er der sensible Ankerpunkt der Geschichte. Mit ihm erleben wir, wie sich die gesellschaftlichen Strukturen in einer kleinen Stadt - 6 Jahre nach Ende des 2. Weltkriegs - verändern, wie familiäre und freundschaftliche Bande neu geknüpft oder aufgelöst werden.
Obwohl die Szenen gar nicht allzu detailliert ausformuliert werden, entstehen überaus lebendige und lebensnahe Bilder. Ron Rash verdichtet seine Erzählung, aber es sind vor allem die zwischenmenschlichen Momente, die Gedanken und Gefühlswelten der Figuren, denen Ron Rash Raum gibt. Die Freundschaft von Blackburn und Jacob wird auf eine harte Probe gestellt. Doch Blackburns Gefühle für Naomi verleihen ihm Kraft. Seinen eigenen Schmerz aber muss er unterdrücken und Ron Rash lässt uns dabei mitfühlen.
Fazit
Kann ein derart perfider Plan - getroffen aus Egoismus, genährt von falscher Gerechtigkeit - am Ende wirklich aufgehen? Das fragt man sich die gesamte Geschichte über und hofft, dass das Schicksal sich doch noch zum Guten wenden mag. Ron Rash erzählt das so packend, dass es schwer fällt das Buch aus der Hand zu legen. Mehrmals bin ich geneigt, schnell mal durch die Seiten zu blättern, um Hinweise darauf zu erhaschen, wie es ausgehen wird. Aber ich halte mich zurück, ertrage die teils bedrückende Stimmung und Hoffnungslosigkeit, leide mit den Figuren, die sich in einer trügerischen Realität dem Leben stellen. „Der Friedhofswärter“ ist ein berührender Roman über den Tod und das Leben, Freundschaft und Verrat, vor allem aber auch über die Liebe und das Gute im Herzen besonderer Menschen.
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