Wenn die Dunkelheit stärker strahlt als das Licht.
Juli und September. Zwei Schwestern. Nur zehn Monate voneinander getrennt zur Welt gekommen. In Daisy Johnsons Roman lernen wir sie kennen. Und ihre Mutter, die nicht mehr mit ihnen spricht. Seit den schicksalhaften Ereignissen auf dem Tennisplatz der Schule.
Coming-of-age in seiner bedrückendsten Form
Beinahe wirr gerät der Einstieg in Daisy Johnsons zweiten Roman. Kurze Sätze, deren Sinn sich noch nicht erschließen mag. Zusammenhanglose Gedankenfragmente? Ein Traum? Noch wissen wir zu wenig, sind aber schon mittendrin in einer besonderen Beziehungsgeschichte und in einem besonderen Haus.
Man darf auch inhaltlich nicht viel mehr verraten, da es dem knapp 190 Seiten fassendem Psychodrama alles an Eindringlichkeit nehmen würde. Oben erwähntes schicksalhafte Ereignis wird eine fragile Familiensituation aufbrechen und eine belastete Geschwisterbeziehung offenbaren.
Im Wesentlichen aus der Perspektive von Juli, der jüngeren der beiden Schwestern geschrieben, durchlaufen wir in raffiniert verwobenen Zeitsprüngen das Heranwachsen der Geschwister, Schilderungen von Fürsorglichkeit und Liebe. Die noch junge britische Autorin schafft in den Gedanken von Juli unglaublich packende Bilder und griffige Metaphern, betont später mit dezenten Mystery-Motiven die düstere, beklemmende Atmosphäre.
Doch nach dem anfänglich spannenden Verwirrspiel beginnen wir langsam zu ahnen, was hier in dem Cottage an der englischen Küste vor sich geht. Dem „Ruhehaus“, das so viele Erinnerungen festgehalten hat und ihre Bewohner umschließt. Es gibt Andeutungen und konkretere Hinweise, die sich herauslesen lassen, Julis innere Konflikte, die sich immer mehr manifestieren. Man kann die Enge förmlich spüren, die Juli umgibt. Und dann ist da noch die unter Depressionen leidenden Mutter Sheela. Sie wird die Vergangenheit für uns weiter aufrollen und am Ende eine erschütternde Wahrheit ans Licht bringen.
Fazit
In „Die Schwestern“ strahlt die Dunkelheit stärker als das Licht und zieht uns dennoch mit jeder Seite ebenso fasziniert an. Daisy Johnson hat ein unglaublich dichtes und intensives Kammerspiel erschaffen, das auf vielen Ebenen ergreifend und erschütternd ist, da es tiefe psychologische Aspekte berührt und uns darüber mit ihrer tragischen Hauptfigur verflechtet. Der Roman ist bereits als „September Says“ verfilmt.
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