The Vienna Writers

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Julian Hübecker
771001

Belletristik-Couch Rezension vonAug 2024

Eine überzeugende fiktive Geschichte.

Die jüdischen Cousins Mathias Kraemer und Johannes Namal wollen aus Österreich fliehen, das 1938 von den Nazis besetzt wurde. Doch würden sie erwischt werden, droht nicht nur ihnen der sichere Tod, sondern auch ihren Familien. Ihre letzte Möglichkeit ist, sich unter neuen Identitäten in Wien ein neues Leben aufzubauen. Die Nazis tun jedoch alles, um die versteckten Jüdinnen und Juden aufzuspüren. Und bald sind sie auch den Cousins auf der Spur.

„Was für Fortschritte wir machen! Im Mittelalter hätte man mich verbrannt. Heute begnügt man sich damit, meine Bücher zu verbrennen.“ – Sigmund Freud

Ende der 1930er Jahre wird die Befürchtung der einen Seite der in Österreich lebenden Menschen und die Hoffnung der anderen Seite wahr: Österreich wird an das nationaldeutsche Reich angegliedert. Viele heißen Hitler und die Nazis willkommen. Doch für die nach Österreich geflohenen sowie die einheimischen Jüdinnen und Juden geht es nun ums nackte Überleben. So auch die Cousins Mathias Kraemer und Johannes Namal, beide Schriftsteller. Sie spüren am eigenen Leib und dem ihrer Familie, wie sich die Nazis immer mehr Schikanen ausdenken, um die jüdische Bevölkerung von dem gesellschaftlichen Leben auszugrenzen.

Da kommt ein Freund der Cousins auf die Idee, sie unter falschen Namen untertauchen zu lassen, und sie so vor den Augen der Nazis zu verstecken. Unter falschen Pässen leben sie von nun an ein relativ unbeschwertes Leben, sie trauen sich sogar, unter einem Pseudonym, neue Bücher zu veröffentlichen. Doch SS-Scharführer Heinrich Schnabel ist wie ein Bluthund, der sich an die Fährte der beiden Männer geheftet hat. Zuweilen scheint alles gut zu laufen, auch, weil sie mit Josef einen befreundeten Polizisten an ihrer Seite haben.

Doch der Druck auf die Nazis nimmt zu und auch Schnabel greift zu immer fragwürdigeren Methoden. Schließlich müssen sich die Cousins fragen, ob ihr eigenes Spiel ums Überleben wirklich zu gewinnen ist …

Die Schlinge zieht sich zu

Diese fiktive Geschichte stammt unter dem Pseudonym J. C. Maetis aus der Feder des Thrillerautors John Matthews, dessen eigene Familiengeschichte ihn zu dem Buch inspiriert hat. Während ein Großteil seiner Familie aus Litauen nach dem Einmarsch Hitlers in ihr Land zu Tode kamen, wanderte der Vater des Autors bereits kurz nach dem Ersten Weltkrieg nach Großbritannien aus und entging so einem ähnlichen Schicksal. Es macht aber vor allem deutlich, dass man zu dieser Zeit viel Glück haben musste, etwa, indem man die schrecklichen Zeichen früh zu deuten wusste und entsprechende Vorkehrungen getroffen hat. Oder wenn man Verbindungen oder einen gewissen Bekanntheitsgrad hatte, der es ermöglichte, in unbesetzte Länder zu fliehen.

So gelang etwa Sigmund Freud die Flucht, als es schon fast zu spät war – seine Schwestern indes mussten in Wien zurückbleiben und wurden kurz darauf deportiert und ermordet. Seine Geschichte spielt einen nicht unwesentlichen Teil des Buches, geht es doch auch um einen illustren Kreis Intellektueller, die Freud um sich scharte, die meisten von ihnen selbst jüdisch oder dem Nationalsozialismus feindlich gesinnt. Dies hat der Autor geschickt mit dem fiktiven Schicksal der Cousins verwoben.

Ebenso überzeugend stellt Maetis das Leben der jüdischen Bevölkerung in Wien dar, die unter den ständigen Repressalien der Nazis zu leiden hatten. Die persönlichen Schicksale, die die Cousins, aber auch die Familie, Freunde und Wegbegleiter ereilten, gehen unter die Haut und könnten so oder so ähnlich tatsächlich geschehen sein. Es ist schwer, von einem unterhaltenden Roman zu sprechen, wenn sie auf Tatsachen beruhen. Dennoch muss dem Buch eine gewisse Spannung zugeschrieben werden, die bis zum Kriegsende durcherzählt wird.

Ein starker Kritikpunkt ist dennoch die zeitliche Einordnung der Geschichte. Beginnend mit dem Jahr 1938 und endend nach 1945, deckt es eine lange Zeitspanne ab, die so nicht deutlich wird. Vielmehr wirkt der zeitliche Rahmen viel kürzer. So passt etwa die Einordnung des Vernichtungslagers Sobibor nicht ins Bild, das erst 1942 errichtet und bereits ein Jahr später geschlossen wurde. An dieser Stelle hätte ich mir am Anfang der Kapitel die Jahreszahlen gewünscht oder zumindest im Nachwort ein paar Sätze, die auf die literarischen Freiheiten des Autors hingedeutet hätten.

Fazit

Die fiktive Geschichte zweier Juden, die um ihr Leben und das ihrer Familien in Wien kämpfen. Man verspürt beim Lesen die Angst und die Spannung, die die Männer aushalten, um nicht verdächtig zu erscheinen. Obwohl historisch nicht einwandfrei, so ist es zumindest doch sehr spannend geschrieben.

The Vienna Writers

J. C. Maetis, Piper

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