Nur nachts ist es hell

Nur nachts ist es hell
Nur nachts ist es hell
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Carola Krauße-Reim
901001

Belletristik-Couch Rezension vonAug 2024

Familiengeschichte gepaart mit Zeitgeschichte.

Elisabeth Brugger ist das jüngste der Geschwister. Ihre drei Brüder und sie wachsen in einem geborgenen und wohlhabenden Elternhaus auf. Ihr Vater befördert Bildung und so darf auch Elisabeth das Gymnasium in Wien besuchen. Kurz nach ihrer Matura bricht der 1.Weltkrieg aus und Elisabeth arbeitet als Lazarettschwester an verschiedenen Fronten. Nach dem Krieg setzt sie ein Studium der Medizin durch, gegen den eigentlichen Willen der Eltern, nur von ihrem Bruder Eugen unterstützt. Nach dem bestandenen Abschluss arbeitet sie als anerkannte und beliebte Ärztin, baut sich eine eigene Existenz auf, ist aber immer eng mit der Familie verbunden. Jetzt, am Ende ihres Lebens, ist sie als einzige übrig, die Eugens Geheimnis noch kennt. Ein Geheimnis, das die ganze Familie betrifft und von dem sie jetzt erzählen will.

Die Autorin

Judith Taschler gehört seit ihrem Romandebüt 2011 zu den erfolgreichen Autorinnen im deutschsprachigen Raum. Immer wieder sind Familien das Zentrum ihrer Romane, immer wieder versteht sie, deren ganz persönliche Geschichten mit einem Ausschnitt der Weltpolitik zu verknüpfen. So auch in vorliegendem Roman, der übrigens mit dem 2023 erschienenen „Über Carl reden wir morgen“ eine Reihe bildet. Allerdings ist es nicht zwingend notwendig diesen Vorgänger zu kennen, um sich in der Handlung zurecht zu finden. Aber es kann durchaus sein, dass Sie nach der Lektüre von „Nur nachts ist es hell“ ihn unbedingt lesen wollen - so wie ich.

Ein Brief und Zeitsprünge

Elisabeth retrospektiert ihr Leben in einem Brief. An wen dieser gerichtet ist, erfährt man erst im Laufe der Erzählung. Gleich anfangs gibt sie eine Kurzfassung dieses Lebens wieder, sodass man schon weiß, was zu erwarten ist. Dann folgt die ausführliche Fassung, die allerdings nicht chronologisch erzählt wird, sondern immer wieder Zeitsprünge aufweist. Das macht die Lektüre zum einen sehr interessant, zum anderen aber auch anspruchsvoll. Dabei muss man leider auch mit einigen Logikfehlern zurechtkommen. Elisabeths Erinnerungen sind - durch ihr langes Leben - auch Erinnerungen an die Zeit, als Frauen kaum studiert haben und Medizin schon gar nicht; an die zwei Weltkriege mit Verlusten in der eigenen Familie, im Freundeskreis; dem Schlachten an der Front und dem Geräusch der Säge während der Amputationen. Es sind aber auch Erinnerungen an die vielfältige Unterdrückung der Frauen; deren lange abgesprochenes Recht zu wählen oder die Qualen einer unter Strafe gestellten Abtreibung. Elisabeth erzählt ebenfalls von ihrer Familie, die Höhen und Tiefen erleidet und vor allem einige Geheimnisse hat. Manchmal ist es eben nur nachts hell, wenn die Finsternis alles andere verdeckt. Taschler versteht es einfach meisterhaft, Familiengeschichte mit Zeitgeschichte und auch Medizingeschichte zu kombinieren.

Klare und fesselnde Sprache

Durch die Wahl des Brief-Romans, findet man fast keine wörtliche Rede, was die Geschichte recht fade machen könnte. Doch weit gefehlt – Taschler fesselt mit ihrer klaren und doch poetischen Sprache an das Geschehen, sodass man das Buch fast nicht aus der Hand legen kann. Dazu kommen immer wieder Andeutungen Elisabeths, die in ihren folgenden Gedankengängen näher beschrieben werden, aber erst einmal sehr neugierig machen. „Nur nachts ist es hell“ ist zwar kein Spannungsroman, hat dennoch mehr Suspense als mancher Krimi.

Fazit

Ein unglaublich packender Familienroman, der gleichzeitig die gesellschaftlichen Probleme porträtiert. Eine anspruchsvolle Lektüre, die sich aber auf jeden Fall lohnt!

Nur nachts ist es hell

Judith W. Taschler, Zsolnay

Nur nachts ist es hell

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