Gedankengänge einer persönlichen Suche.
Dr. Manfredi del Buono starb 1963 nach einem Autounfall. Auf einer kurvigen Straße versuchte ein entgegenkommendes Fahrzeug ein Pferdefuhrwerk zu überholen und kollidierte mit dem lindgrünen, von del Buonos Schwager gelenkten VW-Käfer. Zora del Buono war zu diesem Zeitpunkt 8 Monate alt. Sie hat ihren Vater nie kennengelernt. Zora wuchs alleine bei ihrer Mutter auf, der tödliche Unfall wurde nie thematisiert – zu schmerzlich war es für die Mutter, die jahrzehntelang um ihren Mann trauerte und jetzt an Demenz leidend in einer Seniorenresidenz lebt. Doch nun will Zora wissen, wer dieser „E.T.“ war, der „Töter meines Vaters“, der mit einer lächerlichen Strafe davonkam. Sie will wissen, wie er seit der Tragödie lebte. Empfand er Schuld? Dachte er manchmal an ihren Vater und dessen Familie?
Eine Suche beginnt
Zora Del Buono geht nacheinander verschiedenen Spuren nach, immer mit dem Gedanken im Hinterkopf, wie ihr Vater wohl gewesen ist. Sie kontaktiert öffentliche Stellen, fährt in die Orte, die an diesem schicksalhaften Tag eine Rolle gespielt haben und spürt dem Phantom des „Töters“ nach, von dem sie bisher nur die Initialen „E.T.“ kennt. Diese Suche ist fast so spannend, wie ein Kriminalroman, doch bei weitem nicht so geschrieben. Del Buono nimmt uns mit auf die Spurensuche, aber vor allem in ihre Gedankenwelt, in die man tief eindringt. Der Roman ist so nicht nur narrativ, die Erzählung wird ergänzt durch z.B. Begriffserklärungen aus dem Duden, Zitate aus anderen Büchern, Statistiken oder Gesprächen mit Freunden im Kaffeehaus. Dadurch wird auch ein ganzes Stück Zeitgeschichte porträtiert, denn zwischen 1963 und heute hat sich viel getan. Und immer wieder taucht die Frage auf, wie der Vater wohl gewesen ist, wie er vielleicht heute sein würde, wie ein Leben mit ihm eventuell ausgesehen hätte und welchen Einfluss, auch in seiner Abwesenheit, auf Zora hatte. Einige wenige Fotos lassen den Roman dann noch persönlicher und intensiver werden.
Wer war E.T.?
Der Weg ist in diesem Fall fast schon das Ziel. Del Buono findet immer mehr über den Unfallverursacher heraus. Am Ende ist es viel mehr als über den Vater. Während am Anfang die Frage nach der empfundenen Schuld der Auslöser für die Recherche war, ist es am Schluss die Erkenntnis, dass E.T. auch nur ein Mensch war, der einen holprigen Lebenslauf hatte und, dass Schuld, Reue und Verzeihen immer dicht beieinander liegen, nur nicht immer ausgelebt werden. Zum Schluss fragt man sich unwillkürlich auf wen der Titel „Seinetwegen“ anspielt – den Vater oder doch seinen „Töter“.
Ein typischer Del Buono
Die Autorin befasst sich in ihren Romanen oft mit Familienstrukturen – vielleicht auch aufgrund ihres persönlichen Hintergrundes. Das tut sie immer in einer glasklaren Sprache, die auf den Punkt gebracht alles zeigt, was Del Buono zu sagen hat. Und immer wieder ist es diese fast schon zerrissen zu nennende Darstellung des Inhalts. Nie verläuft es linear, immer wieder kommen Einschübe der unterschiedlichsten Art. Doch genau das macht das Interessante ihrer Bücher aus. So kommt man der Autorin genauso extrem nahe, wie ihren Figuren. Das dürfte einer der Gründe sein, warum die Romane von Zora del Buono noch lange im Gedächtnis bleiben, ja sogar lange zum Nachdenken anregen.
Fazit
Zora del Buono hat ihrem Vater mit „Seinetwegen“ ein Denkmal gesetzt und gleichzeitig gezeigt, dass Unausgesprochenes zu einem so fatalen Schweigen führen kann, dass eine Narbe im Herzen nie mehr ganz verheilt. Ein Roman wie ein Krimi!
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