Akikos stilles Glück

Akikos stilles Glück
Akikos stilles Glück
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Monika Wenger
801001

Belletristik-Couch Rezension vonMär 2025

Die grosse Einsamkeit unter Millionen von Menschen.

Mit der Beschreibung einer Solo-Hochzeit beginnt Akikos Geschichte. Ihre Freundin erzählt ihr von ihrer Hochzeit mit sich selbst. Und schon in diesem Gespräch zwischen zwei Freundinnen schwingt in jeder Zeile das Gefühl von grosser Einsamkeit mit.

Einsam unter Millionen

Akikos lebt seit dem Tod ihrer Mutter allein in einer kleinen Wohnung in der Millionenstadt Tokio. Vor Jahren sind sie aus der Stadt Nara in die Grossstadt gezogen. Schon dort war Akiko eine Aussenseiterin. Die Mutter konnte dann in Tokio ein Sunakku, eine Art Pub, übernehmen, das ihnen ein Einkommen ermöglichte. Inzwischen ist die Mutter gestorben und Akiko trauert noch immer um sie. Ihr Leben ist eintönig und besteht im Wesentlichen aus Arbeit und Schlaf. Ab und zu trifft sie sich mit ihren Arbeitskollegen auf ein Bier.

Eines Tages begegnet ihr auf dem Heimweg von der Arbeit ihr ehemaliger Schulfreund Kento. Auch er hat sich in die selbstgewählte Einsamkeit zurückgezogen. Fernab von Gesellschaft und Familie lebt er völlig isoliert. Die beiden Grossstadt-Einsiedler finden auf besondere Weise Zugang zueinander. Durch Kentos schüchterne Art und seine gezielten Fragen, die er auch über Sprachnachrichten stellt, lernt Akiko, mehr über sich und ihr Leben nachzudenken. Und Kento gibt ihr den Halt, den sie braucht, als sie im Nachlass ihrer Mutter eine erschütternde Entdeckung macht.

Unaufgeregt und dennoch beeindruckend

Einfühlsam und tiefgründig erzählt Jan-Philipp Sendker vom Leben zweier einsamer Menschen inmitten der 40- Millionen-Metropole Tokio. Diese Einsamkeit ist in jeder Zeile spürbar. Doch die Figuren entwickeln sich im Laufe der Geschichte. Akiko denkt viel mehr über sich und ihr Leben nach und lässt sich immer weniger treiben und beeinflussen. Sie lernt, sich von den Schatten der Vergangenheit zu befreien. Auch Kento sozialisiert sich in sehr kleinen Schritten. Durch Akiko lässt er wieder einen Menschen an sich heran. Sendker schildert diese Veränderungen sehr einfühlsam und seine intensive Auseinandersetzung mit der japanischen Kultur ist deutlich spürbar.

Der Roman ist ein Eintauchen in eine völlig fremde Lebensweise. Er erzählt von Menschen, denen die Gemeinschaft über alles geht. Sie gehen äusserst rücksichtsvoll miteinander um und die Traditionen haben einen hohen Stellenwert. Jan-Philipp Sendker beschreibt aber auch die Schattenseiten dieser Gesellschaft, in der Arbeit mehr zählt als der einzelne Mensch. In der vor allem ledige Frauen sich selbst heiraten und Väter gemietet werden können.

Der Schreibstil von Jan-Philipp Sendker schafft eine authentische und eindrucksvolle Atmosphäre. Themen wie Bindungsangst, Verlust und mangelndes Selbstvertrauen sind wichtige Elemente in Akikos Geschichte. Es ist eine stille, in sich ruhende Erzählung, die berührt und eine ganz besondere Wirkung entfaltet.

Fazit

Dieser besondere Roman überrascht und regt zum Nachdenken an. Die Geschichte zweier Menschen, die sich jeder für sich in die selbst gewählte Einsamkeit zurückgezogen haben, berührt. Und er gewährt tiefe Einblicke in eine uns völlig fremde Kultur. Der ruhige und doch wirkungsvolle Schreibstil von Jan-Philipp Sendker rundet das Ganze perfekt ab.

Akikos stilles Glück

Jan-Philipp Sendker, Blessing

Akikos stilles Glück

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