Jeongmin töpfert das Glück
- C. Bertelsmann
- Erschienen: November 2024
- 0
Die Töpferei als Treffpunkt der Entschleunigung und Wertschätzung.
Jeongmin arbeitet als Autorin bei einem staatlichen Sender. Nächtelang arbeitet sie durch und vergisst dabei zu leben. Sie ist völlig ausgebrannt, kündigt ihren Job und zieht um. Im Maronenhain findet sie eine neue Wohnung, die sie aber nach ihrem Einzug kaum noch verlässt. Sie kapselt sich von ihrer Umwelt komplett ab. Niemand holt sie aus ihrer selbst gewählten Isolation.
Totaler Rückzug
Monate vergehen, bis Jeongmin sich endlich zu einem Spaziergang aufraffen kann. Zu sehr hat sie die Arbeit als Autorin ausgelaugt. Doch eines Tages verspürt sie den Drang zu schreien. Dieser Schrei weckt die junge Frau aus ihrer Lethargie. Auf einem ihrer Streifzüge entdeckt sie einen kleinen Laden. In der Annahme, es sei ein Café, landet sie in einer Töpferei. Jeongmins Irrtum wird von der Besitzerin lächelnd aufgeklärt und sie wird auf eine Tasse Kaffee eingeladen. Die Keramik im Laden gefällt Jeongmin und sie möchte eine Tasse kaufen. Da schlägt Johee, die Besitzerin ihr vor, sich selbst eine Tasse zu töpfern. Zuerst zögert Jeongmin, doch dann fasst sie sich ein Herz und besucht einen Kurs.
Die Arbeit mit Ton ist ihr zunächst noch sehr fremd, doch schon bald findet sie Gefallen daran. Jeder Tag eröffnet ihr die Arbeit mit Ton neue Möglichkeiten und Erkenntnisse. Dazu tragen auch die Menschen bei, die die Töpferei besuchen und an den Workshops teilnehmen. Es sind sehr unterschiedliche Menschen. Jüngere, ältere und auch Bekannte aus Jeongmins Kindheit. Jeder von ihnen hat seine eigenen Gründe, die kleine Töpferei aufzusuchen. Je länger sich Jeongmin dort aufhält, desto öfter ertappt sie sich dabei, wie sie sich ihrem Umfeld öffnet. Wie sich ihr Blick auf die Welt verändert und sie Empathie für ihre Mitmenschen entwickelt. Sie entdeckt, dass das Glück auch im Kleinen zu finden ist.
Ton als Sinnbild für Gefühle
Die junge koreanische Autorin Yeon Somin verwendet Ton als Metapher für ihre Geschichte. Geduld und vor allem Zeit sind die wichtigsten Eigenschaften bei der Arbeit mit Ton. Das lernt auch die Protagonistin. Nicht nur handwerklich, sondern auch mit ihren Sinnen. Immer wieder vergleicht die Autorin die Arbeit mit Ton mit dem Innenleben des Menschen. In der Töpferei kommen viele verschiedene Menschen zusammen. Jeder mit seinem eigenen seelischen Rucksack. Doch bald bilden sie eine Gemeinschaft. Tragen und stützen einander.
«Das erste Lächeln des Tages ist wichtig, es entscheidet, was aus den Dutzenden Lächeln des Tages wird.»
Als Erzählerin schildert die Autorin behutsam, aber eindringlich die Entwicklung von Jeongmin, die lernt, sich selbst wahrzunehmen und sich ihres Wertes bewusst zu werden. Das alles braucht Zeit und ist ein langer Prozess. Und als Jeongmin den Social-Media-Bereich der Töpferei übernimmt und damit ihre Schreibblockade überwindet, fügt sich ein weiterer wichtiger Schritt in ihrem Leben.
Überzeugend und einfühlsam zugleich lädt der Roman dazu ein, die koreanische Lebens- und Denkweise zu entdecken und dabei über das Wichtige im Leben nachzudenken.
Fazit
Das Umfeld der Töpferei bietet in vielerlei Hinsicht die ideale Grundlage für diesen einfühlsamen Roman. Dabei spielt der formbare Werkstoff Ton eine wichtige und auch symbolische Rolle. Eine unaufgeregte Sprache unterstreicht das Ganze. Es ist eine herzerwärmende Geschichte, die von der heilenden Wirkung von Gemeinschaft und Kreativität erzählt. Aber auch von der Notwendigkeit der Entschleunigung im hektischen Alltag.
Deine Meinung zu »Jeongmin töpfert das Glück«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!