Nachtfrauen

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Carola Krauße-Reim
881001

Belletristik-Couch Rezension vonFeb 2025

Über das Schattendasein von Frauen.

Die Österreicherin Maja Haderlap wurde für ihre Essays, Lyrik und Prosa mit Preisen überhäuft. „Nachtfrauen“ stand 2023 auf der Shortlist für den Österreichischen Buchpreis. Nach dem bereits 2011 erschienenen Roman-Debüt „Engel des Vergessens“, ist „Nachtfrauen“ zudem der lang ersehnte zweite Roman der Autorin, die zur slowenischen Minderheit in Kärnten gehört. Wieder thematisiert Haderlap das sich aus diesem Umstand ergebende Leben im südlichsten Bundesland der Alpenrepublik, abermals lässt sie die Vergangenheit einfließen und schafft dadurch erneut eine fesselnde Familiengeschichte.

Mira, Anni und Agnes

Mira ist auf den Weg zu ihrer Mutter. Die wohnt in einem verschlafenen Bauerndorf in Kärnten. Alt geworden und nicht mehr gut zu Fuß, soll sie nun auch noch das kleine Häuschen verlassen, weil dort eine Tischlerei entstehen soll. Mira hat die Aufgabe, das der Mutter mitzuteilen – der Bruder drückt sich. Doch das ist nicht das einzige Problem für sie, denn eine Reise ins Heimatdorf bedeutet immer auch eine Reise in die eigene Vergangenheit. Und die war geprägt von relativer Armut, schmerzhaften Abschieden und der Tatsache zur slowenischen Minderheit zu gehören. Obwohl Mia studiert und den Absprung nach Wien geschafft hat, wird sie durch ihre Mutter immer wieder an das Leben erinnert, das diese lebt und aus dem diese nicht ausbrechen konnte. Das stets anhaltende Schweigen macht die Lage auch nicht besser und dennoch haben die Frauen eine nicht lösbare Bindung.

Wortgewaltig und ausdrucksstark

„Nachtfrauen“ ist kein Familienroman, den man zwischendurch einmal schmökern kann. Zwar ist er durchaus flüssig zu lesen, aber Haderlap schreibt wortgewaltig und ausdrucksstark. Im ersten Teil steht Mira im Mittelpunkt. Die Konfrontation mit der Vergangenheit und dem Leben der Mutter lässt sie nachdenklich werden. Sie ist ausgebrochen und dennoch zum Teil hängengeblieben. Im zweiten Teil ist Anni die Protagonistin, die zur Überraschung gar nicht so bieder ist, wie vermutet. Der bevorstehende Auszug aus dem Häuschen veranlasst sie alte Erinnerungsstücke zu betrachten. Dadurch nimmt sie uns mit auf eine Reise zurück, bis hin zum Verlust des eigenen Vaters im 1. Weltkrieg und dem dadurch geprägten Leben der Mutter Agnes. Die Situation der Frauen hat sich seit damals nicht wesentlich geändert. Das patriarchale und von der katholischen Kirche geprägte Leben, war zu Annis Zeiten noch allgegenwärtig. Frauen waren Nachtgestalten, die nur schwer ausbrechen konnten, es oft auch gar nicht wollten, weil sie Tradition nicht in Frage stellten:

„Zu ihrem Erstaunen waren die interviewten Frauen gar nicht daran interessiert gewesen, an ihrer Situation etwas Grundlegendes zu ändern. Sie äußerten stets das Naheliegende, Praktische. Sie orientierten sich an Vorgegebenen, Vorgezeichneten oder an ihrem schlechten Gewissen, sobald sie den Erwartungen, die an sie gestellt wurden, nicht mehr entsprachen.“

Und selbst die, die Träume hatten, stellten sich ohne Auflehnung immer hinten an:

„Gründe gab es genug für das Hängenbleiben, wie sie sagten. Da bin ich hängengeblieben. Dabei wollte man nicht unbedingt weit weg, nein, man wollte in der Nähe des Wohnortes arbeiten und trotzdem nicht ganz und gar gebunden sein wie die Bäuerinnen“.

Ein Roman zum Nachdenken

Mit Mira, Anni und Agnes stellt uns Haderlap drei Frauen und ihre Lebenswege vor, die gar nicht so unterschiedlich sind. Und sie gibt uns damit einiges zum Nachdenken. Die Fragen nach Schuld, Verantwortung und Zugehörigkeit hallen noch lange nach. Auch die Unfähigkeit Gefühle zu zeigen oder offen über Probleme und Gedanken zu sprechen, könnte vielleicht nicht ganz unbekannt sein. Und mit Mira könnte die Autorin vielleicht sogar einer ganzen Generation den Spiegel vorhalten, meinten die Frauen der Emanzipation doch, vermeintlich ausgebrochen zu sein aus den kleinbürgerlichen und miefigen Verhältnissen der Eltern.

Fazit

Ein Roman, der zum Nachdenken animiert. Man sollte sich auf eine ausdrucksstarke Familiengeschichte gefasst machen, die vielleicht den Spiegel vorhält, aber auf jeden Fall fesselt. Hoffentlich braucht Maja Haderlap nicht wieder viele Jahre, um ihr nächstes Buch zu schreiben, denn „Nachtfrauen“ macht durchaus Lust auf mehr von der Autorin.

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