Sommer, Sonne und die erste Liebe.
Sommer 2006. Deutschland fiebert der Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land entgegen. Auch der 15-jährige Chris, der als erfolgreicher Jugendspieler trotz Rückschläge seinen Traum vom Profifußball nicht aufgeben will, fiebert dem Event entgegen. Doch der Sommer bleibt darüber hinaus nicht nur wegen seiner großen Hitze in Erinnerung. Denn was der Teenager noch nicht ahnen kann: Vor ihm liegen drei Tage, die er nie vergessen wird. Drei Tage, die sein zukünftiges Leben prägen werden.
Dabei war der Plan für die Sommerferien eigentlich klar: Zeit mit den Freunden Johnny und Salvo verbringen, die Abende auf dem Dach der alten Scheune abhängen und die heißen Tage im Freibad verschlafen. Doch alles soll ganz anders kommen, denn Chris trifft auf einer Fete zu Ferienbeginn seine große Schulliebe Debbie aus der A. Nie hätte er sich getraut, sie anzusprechen, aber vielleicht liegt es am ungewohnten Alkohol, dass Chris an diesem Abend den Mut besitzt, mit ihr ins Gespräch zu kommen. Das Verrückte: Auch Debbie, das schönste Mädchen der Schule, interessiert sich ausgerechnet für ihn, den schlaksigen, pickeligen, aber humorvollen Chris. Was dann folgt, davon hätte dieser nie zu träumen gewagt. Doch er muss auch lernen, dass die Realität leider nicht immer zum Träumen einlädt.
Weltmeister, Autor, Mensch
Es ist kaum möglich, Christoph Kramer, geboren 1991 in Solingen, nicht zu kennen. Kramer spielte jahrelang in der Fußball-Bundesliga, wurde 2014 mit der Nationalmannschaft in Brasilien Weltmeister und arbeitet seit einiger Zeit als TV-Experte und Podcaster. Bereits seit seinem 13. Lebensjahr führt er Tagebuch und hält fest, was ihn bewegt und beschäftigt. Das Schreiben sei für ihn eine Art Mediation, verrät Kramer. Einige der Erinnerungen, die er im Laufe der letzten knapp 20 Jahre aufschrieb, bilden die Grundlage für sein Romandebüt „Das Leben fing im Sommer an“, das nun bei Kiepenheuer & Witsch erscheint.
Der Roman enthält folglich autobiografische Züge des sympathischen Autors. Was Wahrheit und was Fiktion ist, verrät Kramer aber selbst seinen Eltern nicht. Die Gedanken und die Gefühlswelt, die im Roman verarbeitet werden, seien aber seine. Und vielleicht ist es genau das, was den Roman über weite Strecken so lesenswert macht: die Offenheit und Warmherzigkeit des ehemaligen Fußballprofis, die man in dieser Form nicht unbedingt erwarten durfte.
Die erste Liebe
Der Roman erzählt überwiegend von drei Tagen im Leben des 15-jährigen Chris aus Solingen. Hier von einem Coming-of-Age-Roman zu sprechen, wie das Buch medienwirksam auch von Verlagsseite angepriesen wird, ist aber aufgrund der geringen Zeitspanne der Handlung und der noch nicht erkennbaren Entwicklung des Protagonisten nicht angemessen. Dennoch hat der Roman einiges zu bieten. Es geht um die erste Liebe, um Ängste, Küssen, Freibadpommes, Pickel, Sommer, Freiheit und vor allem um Freundschaft - die Grundzutaten für einen unbeschwerten Roman über die Zeit des Erwachsenwerdens. Kramer schildert die Ereignisse aus seiner Jugend mit einer großen Leichtigkeit, aber auch Klarheit, so dass man sich als Leser an die eigene Teenagerzeit erinnert fühlt.
Es sind drei Tage, in denen der Teenager alles durchlebt, was die Jugendzeit so schmerzvoll, aber gleichzeitig auch so schön macht. Chris, ein Junge, der unsicher ist und Angst hat, nicht akzeptiert zu werden, gelingt es mit seinem ihm eigenen Charme, Humor und einer Portion Schlagfertigkeit seinen Schwarm Debbie, das Mädchen mit den langen blonden Jahren und Sommersprossen von April bis Oktober, für sich zu gewinnen. Es folgt eine Achterbahn der Gefühle: Austausch von SMS, Planung des ersten Dates, der lang ersehnte Kuss, aber auch Ernüchterung, Zweifel und Unsicherheit. Gut, dass man dann Freunde hat, die einen auffangen und für einen da sind. Wer all dies einmal erlebt hat, muss dieses Buch einfach lieben. Man sollte aber über kleinere Schwächen in der Erzählweise hinwegsehen können. Kramer schreibt, wie er stets Fußball spielte: mit viel Einsatz und Herz, aber nicht unbedingt immer elegant.
Leichte Kost
Der Autor gewährt uns zahlreiche Jugenderinnerungen, ist offen, direkt und zeigt sich durchaus von seiner verletzlichen Seite. Das ist sicherlich die große Stärke des Romans. Kramer trifft den Ton seines 15-jährigen Alter Egos und einer Zeit, in der noch vieles leichter und unbeschwerter war. Dennoch liest sich der Roman mit zunehmender Dauer auch als das, was er ist: eine Zusammenreihung von Teenager-Erinnerungen, die einst im Tagebuch festgehalten wurden. Dies ist nicht frei von Kitsch und Plattitüden, der Schreibstil wirkt mitunter wie im Poesiealbum. Auch wenn das vereinzelt etwas stören mag, darf der Roman aber auch in diesem Sound geschrieben sein, weil er dadurch authentischer wirkt. Besonders die Darstellung der ersten beiden Tage gelingt inhaltlich wunderbar. Man spürt die Hitze, sieht die flirrende Luft, hört die Musik der frühen 2000er und riecht den Grill auf dem sonnabendlichen Hoffest. Genauso schmeckt der Sommer.
Was der Stimmung der Erzählung insgesamt aber etwas schadet, sind die letzten beiden Kapitel des Buches („Der Tag des Abiturs, 1460 Tage später“, „Der Sommer 2014, 2920 Tage später“). Zwar greifen beide auf die Ereignisse des Sommers 2006 zurück, wirken aber vollkommen deplatziert und überflüssig, ganz nach dem Motto „Was daraus wurde...“. Hier büßt das Buch seine Romanhaftigkeit ein und wird zunehmend zu einem Tatsachenbericht. Vielleicht sollte dadurch dem Roman ein Ende gegeben werden, welches er ansonsten nicht besitzt. Hier wird ein Problem des Romans deutlich: Die Tagebucherinnerungen lassen sich nicht einfach in einen Plot pressen, ohne ihren individuellen Charme zu verlieren.
Fazit
Christoph Kramer gelingt es, mit seinem Debütroman Jugenderinnerungen zu wecken und den Sound einer Zeit zu treffen. Auch wenn der Roman in seiner Darstellungs- und Erzählweise nicht frei von Schwächen ist, folgt man gerne dem 15-jährigen Chris durch die turbulenten drei Tage, die sein Leben verändern werden. Er leichter, unbeschwerter und sehr unterhaltsamer Roman, der wie gemacht für den Sommer ist.

Deine Meinung zu »Das Leben fing im Sommer an«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!