Die Auseinandersetzung mit der Trauer startet den eigenen Entwicklungsprozess.
Esther Wilding kehrt widerwillig in ihr Elternhaus zurück, nachdem ihre ältere Schwester Aura vor einem Jahr verschwunden ist. Die Familie und Verwandten wollen eine nachträgliche Trauerfeier abhalten. Für Esther ist das der einzige Grund, sich aufzuraffen und zurückzukehren. Ihre Trauer um ihre Schwester, mit der sie eng verbunden war, ist noch lange nicht überwunden.
Die bewunderte grosse Schwester Aura
Für Esther war ihre grosse Schwester immer ihr Idol. Sie hat viel von ihr gelernt, sie bewundert und verehrt. Auras Entscheidung, in Kopenhagen zu studieren, war für Esther sehr schwer zu akzeptieren. Die Hoffnung, die innige Verbindung auch über die grosse Entfernung aufrechtzuerhalten, erfüllte sich nicht. Aura wurde still, bis sie plötzlich als Schatten ihrer selbst nach Hause zurückkehrte. Esther hat nie erfahren, welche Ereignisse Aura so verändert haben. Das verstärkt ihre Trauer, aber auch ihre Neugier. Die Eltern sprachen nie darüber – und Aura schwieg. Bis sie ein halbes Jahr nach ihrer Rückkehr einfach verschwand. Ein Jahr später soll nun eine Gedenkfeier für sie stattfinden. Eine Achtziger-Jahre-Party, wie Aura sie geliebt hat. Für Esther ist allein der Gedanke an die vielen Menschen Horror. Seit sie ist vor einem Jahr voller Trauer an die Westküste gezogen ist, hat sie nicht nur ihr Astronomie-Studium abgebrochen. Sie hat sich einfach treiben lassen und arbeitet als Tellerwäscherin. Ein seelisches Wrack. Und jetzt dieses Fest in ihrem Elternhaus. Als würde es Aura zurückbringen.
Am nächsten Tag erhält Esther von ihren Eltern Auras Tagebuch. In sieben Kapiteln hat die Schwester darin ihre Geschichte aufgeschrieben. Eindrucksvolle Bilder von Märchenfiguren aus der nordischen Sagenwelt. Nun muss Esther die Geheimnisse dahinter entschlüsseln und herausfinden, was Aura aus der Bahn geworfen hat.
Mehrheitlich Sagen
Die Geschichte von Esther Wilding ist geprägt von Märchen, Mythen und kulturellen Eigenheiten. Sie überwiegen in diesem Roman und haben ihren eigenen Reiz. Leider wird die Geschichte durch die vielen Wiederholungen langatmig und träge. Der Autorin scheint es wichtig zu sein, möglichst viele nordische Sagen, Märchen und Mythen in die Geschichte einfliessen zu lassen. Dasselbe gilt auch für australische Aborigine-Traditionen wie Tätowierungen oder Traumdeutung. Alles wird bis ins kleinste Detail beschrieben, so dass die Figuren daneben fast verloren gehen.
Esthers Aufbruch und ihre Reise nach Kopenhagen und auf die Färöer-Inseln bringt dann endlich die lang ersehnte Spannung in die Geschichte. Hier, weit weg von ihrer Familie, findet sie nicht nur Antworten, sondern auch sich selbst. Endlich kann sie aus dem Schatten ihrer Schwester treten und sich ihrer Trauer stellen. Doch auch in diesem Teil der Erzählung verliert sich die Autorin in der Sagenwelt.
Holly Ringland thematisiert in ihrem Roman den Verlust eines geliebten Menschen und die nicht enden wollende Trauer um ihn. Mit der Verarbeitung dieser tiefen Trauer geht gleichzeitig ein persönlicher Entwicklungsschritt der Protagonistin einher. Diesem Prozess hätte mehr Aufmerksamkeit und Tiefe gutgetan. Auch wenn Holly Ringland dafür die Erzählungen über die verschiedenen Sagenwelten hätte einschränken müssen.
Fazit
«Die sieben Geheimnisse meiner Schwester» ist eine beinahe epische Lektüre. In dieser Geschichte verarbeitet Esther Wilding ihre Trauer und findet zu sich selbst, während sie die Geheimnisse ihrer verschwundenen Schwester Aura entschlüsselt. Trotz der weitschweifigen Erzählungen über nordische Sagen und australische Traditionen, bietet der Roman Einblicke in Themen wie Verlust, Trauer und Selbstfindung.

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