Twist

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André C. Schmechta
891001

Belletristik-Couch Rezension vonApr 2025

Über die Besonderheiten menschlicher Verbindungen.

Anthony Fennell ist Schriftsteller und Journalist aus Dublin. Eines Tages erhält er den ungewöhnlichen Auftrag, eine Reportage über unser globales Kommunikationsnetzwerk zu verfassen. Dazu soll er an Bord der Georges Lecointe gehen – einem Schiff, das auf die Reparatur von Tiefseekabeln spezialisiert ist. Doch was als der etwas widerwillige Auftakt seiner Recherche beginnt, entwickelt sich zu einer sehr persönlichen und introspektiven Reise über die Besonderheiten menschlicher Verbindungen – zu anderen, zur Welt und zu sich selbst.

Zwischen Datenströmen und Lebensverbindungen

Auf der Georges Lecointe begegnet Fennell dem etwas verschrobenen und verschlossenen Missionschef Conway – einem Mann, der ebenso wie er an einer zerbrochenen Vergangenheit zu tragen scheint. Es entspinnt sich eine wortkarge Beziehung, geprägt vor allem von Conways abweisender Art. Zwischen Schweigen und unausgesprochenen Fragen entsteht trotzdem zaghaft eine Verbindung. Und dann ist da Conways Frau, die zunächst wie ein Schatten über allem liegt – geheimnisvoll und doch zentral.

Es ist mein erster Roman von Colum McCann und ich habe mich auf Anhieb in seine Sprache verliebt. Sie ist klar und tiefgründig zugleich, mal sanft wie die ruhige See und mal kraftvoll wie aufbrausende Wellen. Immer wieder entfaltet Colum McCann mit kleinen, fast beiläufig erscheinenden Beobachtungen und aufkommenden Gedanken seiner Figuren ganze Welten, schafft bedeutsame Momente, starke Bilder und Emotionen. In dieser Ausgewogenheit und Intensität liegt eine große Stärke des Romans.

Colum McCann lässt uns mit seinen Protagonisten in eine Welt eintauchen, in der unsere moderne Kommunikation von technischer Infrastruktur abhängig ist und entsprechend anfällig. Das wird nur zu deutlich, als schließlich das Kommunikationsnetz zusammenbricht und die Georges Lecointe tatsächlich gebraucht wird. Doch der Fokus bleibt bei den Menschen, nicht bei der Mission, die McCann aber durchaus spannend, mit dezent eingeflochtenen arbeitstechnischen Abläufen, inszeniert.

Ich hätte gerne mehr Zeit mit Fennell, Conway und anderen Mitgliedern seiner Crew auf der Georges Lecointe verbracht. Leider für meinen Geschmack zu früh muss Fennell aber von Board gehen. So wie er fühle ich mich an Land etwas verloren – nicht nur geografisch, sondern auch emotional. Die Geschichte verliert im letzten Drittel etwas an Dichte. Verbindungen lösen sich auf, andere entstehen.

Dem Titel entsprechend erwartet uns in der Geschichte noch der Plot-Twist. Er verändert Perspektiven auch nachträglich, überrascht aber weniger, als man es möglicherweise erwartet hätte. Dennoch fügt er sich passend in den ruhigeren Erzählverlauf ein und unterstreicht das zentrale Motiv des Romans: wir sehnen uns nach Beziehungen. Jede Verbindung – ob digital oder menschlich – ist fragil, brüchig, aber zugleich von besonderem Wert. Es sind eben die Verbindung mit anderen, die uns zu dem Menschen machen, der wir sind, die unser Leben modellieren. Manchmal erfordern auch diese Verbindungen eine Reparatur, oder sind für immer verloren …

Fazit

Twist ist kein Roman großer, überbordender Gesten und wohlklingend kombinierter Satzkonstruktionen. Colum McCann gelingt ein atmosphärisch einnehmender und eher leiser Text, der nicht auf dramatische Höhepunkte zielt. Schauplätze und Handlung entfalten sich mit Bedacht, die Figuren gewinnen an Kontur durch Gedanken, Reflexionen, Erinnerungen, Begegnungen und reduzierte, nuancierte Dialoge. Auch wenn das letzte Drittel ein wenig schwächer gerät, bleibt am Ende ein starker Eindruck zurück – und vor allem das Bedürfnis, noch ein wenig länger auf hoher See an Board der Georges Lecointe zu verweilen.

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